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Die wunderbare Händigkeit der Moleküle

Vom Ursprung des Lebens aus der Asymmetrie der Natur

Autor: Dieter Rein Verlag: Birkhäuser Verlag Auflage: 1. Auflage Erscheinungsjahr: 1993 Preis: – ISBN: 3-7643-2754-5 Sprache: Deutsch

 

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort Vorwort

Einführung Asymmetrie und Ursprung des Lebens

Kapitel 1 Optische Aktivität und molekulare Asymmetrie

Kapitel 2 Hypothesen zur Entstehung molekularer Asymmetrie

Kapitel 3 Naturgesetze im Spiegel betrachtet Fundamentale Kräfte Die Kräfte der Mikrowelt

Kapitel 4 Eine der Natur selbst innewohnende Asymmetrie Das Kobalt-Experiment der β-Zerfall genauer betrachtet Der Ulbricht-Vester-Prozess Asymmetrische Reaktionen an asymmetrischen Molekülen – eine experimentelle Herausforderung Form und Stabilität

Kapitel 5 Grundmuster der Natur – Einheit in Vielfalt Die Einheit zwischen elektrischen und magnetischen Erscheinungen Maxwells Elektrodynamik Felder und Teilchen Von Maxwell zu Weinberg – neue Vereinheitlichungen Neutrons und neutrale Ströme Das veränderte Coulomb-Potential

Kapitel 6 Statische Asymmetrie Die chemische Bindung Links wiegt schwerer als rechts – oder umgekehrt – a) Asymmetrische Kraftwirkung – b) Wegweiser optischer Aktivität Aminosäuren – das „richtige“ Vorzeichen α-Schraube und β-Faltblatt – das Bild der Proteine Auch D-Zucker sind stabiler als L-Zucker

Kapitel 7 Werkstatt der Chiralität Biomoleküle aus Wasser und „Luft“ Asymmetrische Synthese

Kapitel 8 Kleine Störung – große Wirkung Bedingungen empfindlicher Übergänge – a) Reaktions-Wege und Reaktion-Rückwege – b) Fern vom Gleichgewicht – c) Selbstvermehrung – Selbstverstärkung – d) Die Rolle des Widersachers Ein Glasperlenspiel Evolution und Thermodynamik Ein magischer Exponent Schwankungen Selektion

Kapitel 9 Nachverstärkung und delikate Balancen Einebnung der Chiralität durch Razemisierung oder: Die Möglichkeit einer prähistorischen Temperaturkarte Aspekte des Alterns Molekulare Kooperation – Polymerisation, Kristallisation Spaltung chiraler Moleküle

Kapitel 10 Konturen eines neuen Verständnisses

Ausblick Jenseits der Erde

Anhänge A) Ergänzung zum Nachweis der Paritätsverletzung B) Sichtbares Zusammenspiel: Die Veränderung des Coulomb-Potentials durch die γ-Z°-Interferenz C) Das Pauli-Prinzip D) Exkurs über optischen Drehsinn und chirale Konfiguration E) Die Rolle der Molekülgestalt bei der Ermittlung der enantiomeren Energiedifferenz – a) Konsequenzen spingesättigter Bindungen – b) Der molekulare Dissymmetriefaktor F) Reaktionsweg zum chiralen Molekül G) Wirksame Verstärkung – eine Alternative H) Planetenentstehung und Uratmosphäre I) Die ersten Lebensspuren J) Tabelle: Die 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren

Ausgewählte Literatur

Glossar

Bildnachweis

Personenverzeichnis

Sachverzeichnis

Klappentext

Es gibt Fußballer, die ausschließlich mit dem rechten oder linken Fuß schießen, und es gibt, beim Schreiben oder Tennisspielen, Links- bzw. Rechtshänder. Aber gibt es eine Händigkeit der Moleküle, und ist sie für die Wissenschaft von Interesse? Sie ist – und wie: Schon Louis Pasteur hat festgestellt, dass die Händigkeit der Moleküle die Demarkationslinie zwischen belebter und unbelebter Natur bildet. Alles Lebendige besteht letztlich aus Eiweißstoffen und Erbsubstanz. Eiweißstoffe wiederum sind ein Geflecht aus Aminosäuren, zu den Baustoffen der die Erbsubstanz bildenden Nukleinsäuren gehören Ribosen, fünfgliedrige, ringförmige Zuckermoleküle. Beide, Ribosen wie Aminosäuren, sind wie Schrauben oder Wendeltreppen, die linksgängig oder rechtsgängig sein können. Doch alle Eiweißstoffe enthalten nur linkshändige Aminosäuren, alle Nukleinsäuren nur rechtshändige Zucker. Die Natur macht also Gebrauch von nur jeweils einer Form, während bei der synthetischen Herstellung links- und rechtshändige Formen entstehen.Also muss irgendwann zwischen der Entstehung des Planeten und dem ersten Einzeller diese fundamentale und für das Leben notwenige Asymmetrie entstanden sein. Do wie? Dieter Rein, Elementarteilchenphysiker aus Aachen, suchte die Antwort in der schwachen Wechselwirkung, einer der vier Grundkräfte des Universums. Als einzige fundamentale Kraft der Natur bricht sie die Spiegelsymmetrie und unterscheide objektiv zwischen links und rechts. Mit großer Detailkenntnis trägt der Autor die Argumente zusammen, die für seine Thesen sprechen, verschweigt aber auch die Gegenargumente nicht. So ist ein wichtiger Diskussionsbeitrag zu einem ungelösten, aber bedeutsamen Problem der Naturwissenschaft entstanden.

 

Vorwort

Von entscheidender Bedeutung für die Entfaltung des Lebens war die spiegelbildliche Asymmetrie seiner Bausteine. Die Basismoleküle alles Lebendigen, ob linkshändige Aminosäuren oder rechtshändige Zucker, haben eine schraubenförmige, händige Gestalt. Wie sich diese Händigkeit der Moleküle physikalisch äußert, und welche Hypothesen bezüglich ihres Ursprungs diskutiert werden, beschreibt der Autor in den ersten beiden Kapiteln. Von der Asymmetrie der Moleküle zur Asymmetrie der Naturgesetze wandert der Blick in den folgenden drei Kapiteln. Das Wechselspiel zwischen symmetrischer elektrostatischer Anziehung und asymmetrischer schwacher Wechselwirkung führt zu einer energetischen Bevorzugung gerade der linkshändigen Aminosäuren und der rechtshändigen Zucker, von denen das Leben ausschließlich Gebrauch macht. Kleine Effekte bergen hier den Keim zu großen Wirkungen.  Wenn nichtlineare chemische Reaktionen mit ihrer enormen Fähigkeit zur Verstärkung solche kleinen Effekte zur Wirkung bringen, wird – wie in den abschließenden Kapiteln geschildert – ein kausales Verständnis dieser ersten Vorstufe des Lebens möglich. Mit der schwachen Wechselwirkung könnte also eine der fundamentalen Kräfte der Natur eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Leben gespielt haben. Die These des Autors beleuchtet so einen neuen Aspekt in den Wechselbeziehungen von Elementarteilchenphysik und Biologie.

 

Leseprobe

Einführung Asymmetrie und Ursprung des Lebens

Immer zielen unsere Gedanken  – wenn wir fragen, warum etwas ist, wie es ist – auf einen äußersten Punkt, auf einen letzten zureichenden Grund. immer stellt sich dann die Frage nach dem Anfang; dem Anfang unserer persönlichen Bezeihungen, dem Anfang des Lebens, dem Anfang der Welt. Nicht von ungefährt beginnt die Bibel, die Geschichte von Gott und den menschen, mit der bilderreichen Genesis: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Er schuf Materie und Strahlung. Er schuf Energie. Später schuf er Tiere und Menschen – lebensbegabte, vernunftbegabte Formen der Materie. Am siebten tag ruhte er aus.  Der achte Schöpfungstag ist vermutlich der, in dem wir gerade leben. Und über neunte, zehnte und weitere Schöpfungstage schweigt sich die Bibel aus. Doch die Schöpfung geht weiter. Auch die Bibel hat noch einen zweiten Band. In initio erat verbum! Das ist die Wiedererschaffung der Welt in Worten. Das ist das Erschließen von Erkennen und Verstehen. Die ersten Worte des Johannes-Evangeliums bringen die Welt auf den Begriff. Sie markieren den Anfang des Nachdenkens, den Anfang des Bewusstseins. Denn wie manifestiert sich Bewusstsein anders als in der Sprache? „Du hast ganz recht“, sagte Karl Popper zu Konrad Lorenz, als beide achtzig geworden waren und am Kamin in Lorenz´Altenberger Haus die Summe ihrer Lebenseinsichten bedachten, „ich bin ganz einverstanden mit Dir, dass es zwei große Abschnitte in der Evolution gibt: das Leben und den Menschen. Und der Mensch – das ist vor allem die Sprache.“ Ohne Sprache, ohne das menschliche Bewusstsein – kristallisiert im Wort, das Mitteilung und Sinn und Kraft und Tat umgreift – könnte das Universum wohl sein, aber nicht bekannt sein, und das wäre, wie einmal der Biochemiker George Wald meinte, doch eine armselige Sache.

Informationen über den Autor

Dieter Rein, geb. 1938 in Weilburg/ Lahn, hat Physik studiert und 1968 in Würzburg promoviert. Seit 1969 ist er am III. Physikalischen Institut der RWTH Aachen beschäftigt, das in den vergangenen 30 Jahren an nahezu allen grundlegenden Experimenten der Elementarphysik bei CERN und DESY beteiligt war. Er kennt die Geschichte der neutralen schwachen Ströme aus erster Hand und hat, selbst Theoretiker, sowohl über Aspekte der schwachen Wechselwirkung und die Quarkstruktur der Materie gearbeitet wie auch an experimentellen Analysen von Neutrino-Reaktionen mitgewirkt. Seine theoretischen Abschätzungen der Energiedifferenzen von Spiegelmolekülen brachten ihn mit den Fragen der präbiotischen Evolution in Berührung. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hat sich seine Neigung zur Publizistik in zahlreichen populärwissenschaftlichen Artikeln, u.a. auch für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, niedergeschlagen.