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Links – Rechts.

Linkshänder in einer rechten Welt – Ein Buch über Händigkeit

Autor: Andrea Scholtz Verlag: FSB – Franz Schneider Brakel Auflage: 1. Auflage Erscheinungsjahr: 1999 Preis: – ISBN: 3-88375-325-4 Sprache: Deutsch

 

Inhaltsverzeichnis

I. Oskar und die linke Tücke des Objektes Eine Geschichte

„Links ist da, wo der Daumen rechts ist..“ Eine kleine Begriffsbestimmung

Woher kommen Linkshänder? Ein bisschen Theorie über die eine Hälfte des Gehirns

Rechtshänder nehmen ab Ein paar Zahlen

Neun Linke Betroffene

„Gib das schöne Händchen!“ Umerziehung und ihre Folgen

Links oder rechts dominant? Seitigkeitstests

 

II. Linke Produktwelt Einleitung

Links- oder Rechtsdrehend? Haushaltsartikel und -geräte

Messer, Schere, Gabel, Licht sind für Linkshänder nicht Schneidwaren und Besteck

Auf den Zahn fühlen – aber mit links Linkshändige Zahnärzte

Linke Handwerker leben gefährlich Werkzeug

Quer Beet Gartengeräte

Sieg mit links Linkshändige im Sport

Linke Töne Musikinstrumente

Treffsicher mit links Waffen und Wehrbau

In Büro und Schule Computer, Zeichen- und Schreibgeräte

Persönliche Linksobjekte Von der Armbanduhr bis zum Taschenrechner

Es allen „recht“ machen Händigkeitsgerechte Gestaltung

 

III. Eine Anzeige

Tipps für Linke Initiativen, Beratungsstellen, Clubs Links-Händler Zeitschriften Internationaler Linkshändertag Buchtipps Internet

Bibliographie und Quellen Abbildungsnachweis register FSB-Edition Dank

Vorwort

Der Mensch lernt bekanntlich am besten aus der eigenen Erfahrung. Hierzu einige konkrete Beispiele, die ich in selektiver Aufmerksamkeit sammelte, nachdem die Autorin dieses Buches mich gebeten hatte, ihr ein Vorwort zu schreiben:

In jenen Tagen hatte ich in unserem Unternehmen einen Kassenrevision durchzuführen. Beim Zählen machte mich eine Kollegin darauf aufmerksam, dass ich die Geldschein-Bündel aus ihrer Sicht seltsamerweise in der rechten Hand hielt und sie mit der Linken zählend durchblätterte. „Sie sind doch Rechtshänder, oder?“ Meine Kollegin hatte recht. ich war irritiert. Bis mir plötzlich einfiel, dass ich mir vor etwa 10 Jahren mit einer Papierschere den Zählfinger unfreiwillig gekürzt hatte. Seitdem hatte sich bei mir das Rechts-Links-Schema anscheinend unterschwellig umorientiert. Nur zwei Tage später erhielt ich eine zweite Lehrstunde zum gleichen Thema. Auf dem Kasseler ICE-Bahnhof wartete ich auf einen Zug, der mich nach Berlin bringen sollte. Während des Wartens fuhr auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig ein Interregio ein. Passagiere stiegen aus und ein. Mit wachsendem Erstaunen beobachtete ich, was sich im Umfeld der Koppelung der Wagen 11 und 12 an den Türen tat. Die Tür des Wagens 11 war rechts angeschlagen, die des Wagens 12 dagegen links. Die aussteigenden Passagiere des Wagens 11 konnten die Tür nur als Linkshänder korrekt öffnen, beim Wagen 12 waren die Rechtshänder im Vorteil. Für die Einsteiger stellte sich die Lage dagegen genau umgekehrt dar. Eine durchaus praktische Lösung, sagte ich mir. Bei jedem Halt und dem damit verbundenen Ein- und Aussteigen veranstaltet die Bundesbahn eine demokratische Abstimmung mit der Hand. Als ich dann wenig später den ICE nach Berlin bestieg, konnte ich mit Genugtuung  feststellen, dass die traditionelle Türklinken-Version des altmodischen Interregio von den Konstrukteuren des ICE in Form von grünen und roten Druckknöpfen spiegelbildlich auf das zukunftsweisende Bahnkonzept übertragen worden war. Über Generationen gepflegte Konstruktionsprinzipien waren also weitergereicht worden, ein Umlernen nicht nötig. Für mich ist erstaunlich, wie schnell wir uns, meist unbewusst, auf diese Gegebenheiten einstellen. Und dennoch haben wir Rechts- und Linkshänder manchmal unsere liebe Not mit dieser besten aller Welten. Hierfür ein weiteres Beispiel. Ein jeder kennt die Situation. Wir bewegen uns schnell auf einem Bürgersteig. Ganz korrekt auf der rechten Seite. Aus der Gegenrichtung kommt uns ein ebenso korrekter Erdenbürger entgegen, rechts laufend, wie es sich gehört. Kurz vor der Begegnung schauen wir auf. Blitzschnell fällt dem einen oder dem anderen auf, dass der jeweils andere rechts laufend die Gefahr einer Kollision heraufbeschwört. Intuitiv macht der eine oder der andere dann den berühmten Seitenschritt nach links und schon kommt es zum zunächst nur vermuteten Zusammenstoß. Was ist hier geschehen? Der eine oder andere hat seine eigene Laufrichtung intuitiv auf den von vorne links entgegenkommenden Mitbürger übertragen. Und genauso intuitiv hat er dann einen falschen Schluss gezogen. Zwar hat die rechte Gehirnhälfte die Position im Raum richtig erkannt. Beide Erdenbürger bewegten sich in ihrer jeweiligen Laufrichtung rechts. Dann aber spielte die linke Gehirnhälfte dem aufblickenden Erdenbürger einen Streich, indem sie den an sich richtigen Schluss zog, dass nur links an rechts und rechts an links vorbeiführen kann. Hand auf Herz, haben Sie diese Alltagssituation nicht schon häufig selbst erlebt? Künftig im Publikumsverkehr also die linke Gehirnhälfte ausschalten. Diese freundschaftliche Aufforderung gilt übrigens in gleicher Weise für Rechts- wie für Linkshänder.

A propos Linkshänder: Ich gestehe, dass es mich trotz all meiner analytischen Selbsterfahrungen immer wieder seltsam berührt, wenn ich einem Linkshänder begegne, seltsam deshalb, weil dieser Mitmensch in einer für mich verkehrten Welt lebt und schreibt und malt und tut. Glauben Sie jetzt aber bitte nicht, ich hätte Vorurteile gegen die Linken, im Gegenteil. Als Chef eines Unternehmens, das seit mehr als 100 Jahren Türklinken herstellt, kämpfe ich, unterstützt von meinen Mitarbeitern, schon aus Prinzip für die absolute Gleichstellung der Rechts- und Linkshänder, vergleiche Seite 89 dieses Buches. Dieser – vorletzte – Band der FSB-Edition ist ein weiter Beweis unserer ausgewogenen Einstellung. Es war uns eine große Freude, die wissenschaftlich wertvolle Rechts-Links-Forschung von Andrea Scholtz im Rahmen unserer handorientierten FSB-Edition zu fördern. Es lebe der kleine Unterschied.

Jürgen W. Braun

 

Leseprobe

„Gib das schöne Händchen!“ Umerziehung und ihre Folgen

Eigentlich wollte er Pfarrer werden. Als Linkshänder wurde er jedoch auf rechts umerzogen und reagierte darauf mit Stottern. Da war es aus mit seinem Berufswunsch; denn ein stotternder Pfarrer auf der Kanzel war undenkbar. So wurde Lewis Caroll Autor von Nonsens-Literatur, unter anderem von „Alice im Wunderland“. Ein Umschulungsopfer. Stottern ist nur eine von vielen möglichen Folgen der Umerziehung von der linken auf die rechte Hand. „Es ist verrückt. Wenn meine linkshändige Schwester als Beifahrerin sagt ‚Jetzt links abbiegen‘, kann ich schon mal rechts blinken, wenn ich richtig fahren will. Sie verwechselt grundsätzlich rechts und links“, schildert Reginald Eckhoff ein weiteres Phänomen. Durch Umschulung kann es zu einer Raum-Lage-Labilität, das heißt, zu einer Rechts-Links-Unsicherheit kommen. Außerdem werden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder legasthenische Phänomene, wie Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten, beobachtet. Darüber hinaus können feinmotorische Störungen, zum Beispiel beim Schreiben, auftreten.