Pages Menu
Categories Menu

3.1 Die Händigkeit im Zusammenhang mit der Hirndominanz – (11/2011)

Zu Beginn wird erläutert, wie und wo die Ausbildung der Händigkeit überhaupt entsteht. Die Seiten links und rechts sind in allen Lebewesen für immer festgelegt. Schon Platon (427-347 v. Chr.) beschäftigte sich mit dem Phänomen der Händigkeit und gelang dabei zu dem Wissen:

„Das bei uns die rechte und die linke Seite von Natur für den Gebrauch zu allen Verrichtungen in Bezug auf die Hände verschieden sei, während doch bei den Leistungen der Füße und unteren Gliedmaßen kein Unterschied sich zeigt; hinsichtlich der Hände aber sind wir alle durch den Unverstand der Mütter und Wärterinnen gewissermaßen erlahmt. Während nämlich die natürliche Beschaffenheit der beiderseitigen Glieder sich ziemlich die Waage hält, haben wir selbst, durch die Gewohnheit eines richtigen Gebrauchs, ihre Verschiedenheit bewirkt.“¹

Der Philosoph der alten Zeit befürwortete demnach die parallele Schulung beider Hände. Zu dieser Zeit war aber noch nicht bekannt, dass die Händigkeit, Grundlagen für spezielle Fähigkeiten und das Verständnis für Sachverhalte, von der Zusammenarbeit und Leistung der beiden Gehirnhemisphären abhängig sind. Dies wurde erst durch Forschungen am Gehirn unter Zuhilfenahme von Computertechnik entdeckt. Zuvor galten Ergebnisse in der Hirnforschung, als „Nebenprodukt“ von Gehirnschädigungen und -beeinträchtigungen.

Aber auch heute gibt es noch ungeklärte Fragen: „Ist ein Gen schuld, dass jemand Linkshänder ist, die Umwelt– oder doch bloß der pure Zufall?“ Die Forscher sind sich bis heute uneinig über diese Sachverhalte.²
„Fest steht: Welche Hand wir für alltägliche Aufgaben wie den Griff nach einer Klinke benutzen, entscheidet sich in einer Art Wettbewerb im Kopf“³ Hierbei geht es um bisherige Erfahrungen in ähnlichen Situationen und Entfernungen zu Objekten. Diese Vorgänge laufen im hinteren Teil des Gehirns ab.

Unser Gehirn besteht aus verschiedenen Bereichen und ist unser lernfähigstes Organ. Bei einem gesunden Menschen arbeiten die Bereiche gleichmäßig zusammen. Unsere „unbewussten Lebensfunktionen“ werden vom stammes- geschichtlich älteren Teil des Gehirns bestimmt.

Dem Hirnkern (Thalamus), der die Schaltzentrale darstellt. Der neuere Teil ist die Großhirnrinde, welche aus einer stark gefalteten Nervengewebsschicht besteht und als Hülle um die anderen Hirnregionen gelegt ist. Sie ist der Ort für die „höheren Funktionen“, wie die Möglichkeit zur Sprache, unserem Denken und Handeln und unserer persönlichen Charaktereigenschaften.

Der Ursprung der Rechts- oder Linkshändigkeit liegt im Aufbau und der Funktion in der Großhirnrinde (cerebrum). Ihre zwei Hälften (Hemisphären) sind durch einen Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden. Dieser Balken besteht aus Milliarden Nervenfasern und hat eine kabelförmige Struktur.

¹ Meyer,S.17
² vgl. Freies Wort, S.7
³ Freies Wort, S.7
vgl. Freies Wort, S.7
vgl. Weber, S.16-19

Verbindet der Balken die beiden Hälften nicht richtig, hat der Mensch oft Schwierigkeiten mit der jeweiligen Hand auf der ihr gegenüberliegenden Körperhälfte zu arbeiten, er kann also nicht übergreifen. Die Hemisphären arbeiten zusammen, wobei jede ihre speziellen Aufgaben erfüllt. Umfangreiche Zusammenhänge kann unser Gehirn aber nur durch die Zusammenarbeit der beiden Bereiche bewältigen und umsetzen. Um das etwas genauer zu verdeutlichen, ist es sinnvoll, die einzelnen Aufgaben der beiden Hemisphären zu benennen.

Die linke Hemisphäre ist für die rechte Körperhälfte zuständig, sie übernimmt die „sensorischen und motorischen“ Aufgaben und beinhaltet die intellektuellen Funktionen. Durch ihre Arbeit können wir analytisch und sachlich-logisch denken und haben ein zeitliches Vorstellungsvermögen. Auch unser Sprachzentrum, der Intellekt und Optimismus, sowie das abstrakte Verstehen von Wörtern und die Funktion der sprachlichen Korrektheit (Grammatik), die Gabe zum Verstehen von Worten und unser Wortschatz haben in der linken Hemisphäre ihren Sitz.

In ihr befindet sich also vieles, was mit Sprache im Zusammenhang steht. Arbeitet die linke Hemisphäre nicht im vollen Maße, wird die rechte mehr beansprucht. Jedoch ist die Sprache dadurch beeinträchtigt, spezielle Begriffe können nicht mehr aufgerufen werden. Der Betroffene spricht in vereinfachten Sätzen. Auch das Gehör leidet darunter. Dies zeigt, dass auch die rechte Seite über geringe sprachliche Ansätze verfügt.

Die rechte Hemisphäre arbeitet mit der linken Körperhälfte zusammen, sie dient dem räumlichen Vorstellungsvermögen sowie der Vorstellung von Perspektiven. Sie hat im Gegensatz zur linken Hälfte nichts mit sprachlichen Zusammenhängen zu tun, sondern ist eher auf das Erkennen von musikalischen, sozialen und bildlichen Zusammenhängen ausgerichtet.

Deswegen findet man hier unter anderem das Melodiegedächtnis und das Verständnis für Musik, die Funktion für das umfangreiche Denken und Erkennen von Bildern, das Gefühlsverständnis, die Vorstellung für „komplizierte nicht sprachliche Zusammenhänge“, die Intuition, die Fähigkeit Gesichter und Dinge zu erkennen, sich auszudrücken und den Pessimismus (siehe Abbildung 7, Seite 52).

Die Psyche von linkshändigen Kindern ist deshalb auch meistens darauf ausgelegt, das diese sich oft alleine beschäftigen und eine blühende Fantasie haben und sich auch oft mit dieser auseinandersetzen. Eltern deuten das häufig im ersten Moment als Verhaltensstörungen.

Die meisten Menschen haben eine ziemlich gleiche Aufteilungsstruktur der Hemisphären.
Auch wenn alles sehr symmetrisch wirkt, spiegelt sich dies nicht in der gleichmäßigen Funktionalität der Hände wider. Diese Einteilung, je nach Funktionen, wird auch als „funktionelle Asymmetrie“ bezeichnet, wobei es zu persönlichen Abweichungen kommen kann.

Die Verteilung der Verarbeitung bezeichnet man als „Lateralitätsstruktur“. (siehe Abbildung 8, Seite 53) Lateralis kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „seitlich“. Die visuelle Lateralisation besagt, dass eine Zweiteilung des Sehfeldes stattfindet. Die Fasern verlaufen nur zur Hälfte gekreuzt, die andere Hälfte ist ungekreuzt. Die Informationen vom rechten Teil des Sehfeldes werden an die linke Hemisphäre geleitet. Es wird vermutet, dass im rechten Gesichtsfeld mehr Einzelheiten aufgenommen werden können.

vgl. Weber, S.16-19

Dafür werden im linken Sehfeld, welches mit der rechten Hemisphäre korrespondiert, „räumliche und perspektivische“ Zusammenhänge besser wahrgenommen und weniger mit sprachlichen Benennungen verknüpft. Der Corpus callosum verbindet die beiden Gehirnhälften und dient somit als Brücke, über welche die „Daten“ gezielt und unter Kontrolle geschleust werden.

Der amerikanische Wissenschaftler Roger W. Sperry, welcher für seine Arbeit und die Entdeckungen in der Hirnstruktur den Nobelpreis im Fachbereich Medizin erhielt, stellte fest, dass es zwei Denkweisen gibt. Die „verbale“ (sprachliche-linke Hemisphäre) und die „nonverbale“ (nicht sprachliche-rechte Hemisphäre).

Welche Hand nun besser für die Ausführung „feinmotorischer“ Aufgaben geeignet ist hängt mit der Verarbeitung im Gehirn zusammen. Zudem stellte er fest, dass die beiden Hemisphären auch jeweils ohne die andere funktionieren könnte. Eine Einzelne kann dann als „ganzes“ Gehirn funktionieren. Durch diese Ergebnisse kann Menschen mit epileptischen Anfällen geholfen werden, wenn Medikamente schon nicht mehr helfen. Bei ihnen wird der Corpus callosum durchtrennt. („Split-Brain-Patienten“)

Ist die linke Gehirnhälfte die ausschlaggebende, so handelt es sich um einen Rechtshänder. Somit ist es ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass auch das rechte Auge, der rechte Fuß und das rechte Ohr dominieren. Im Allgemeinen herrscht in der Bevölkerung eine Dominanz der Rechtshänder.

Bei der rechten Gehirnhälfte handelt es sich dann um eine Dominanz der linken Seite, somit ist die Person also ein Linkshänder.
Es ist aber nicht der Fall, dass die eine Gehirnhälfte der anderen absolut überlegen ist, bei ihrer Zusammenarbeit zur Bewältigung der Informationsverarbeitung übernehmen sie nur eine andere Aufgabe. Händigkeit bedeutet also die „Hirnigkeit“ eines Menschen. Diese Seitigkeit ist angeboren.

vgl. Meyer, S.17-20
vgl. Sattler, „Der Umgeschulte Linkshänder…“, S.102-109, S.114-117, S.130