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3.4 Bestimmungen der Händigkeit – (11/2011)

Es gibt verschiedene Varianten zur Bestimmung der Händigkeit. Bei kleinen Kindern ist sie jedoch einfacher zu bestimmen als bei Erwachsenen. Jene sind bereits zu sehr geprägt. Möchte eine Person erst im fortgeschrittenen Alter seine Händigkeit bestimmen lassen, weil diese ein umgeschulter Linkshänder zu sein vermutet, gestaltet sich dieses schwieriger. Meistens ist es bei Kindern relativ einfach, die Händigkeit zu erkennen.

Häufig wird es bereits bei den ersten spontanen Greifbewegungen deutlich. Wenn später das selbstständige Essen und Spielen mit derselben Hand erfolgt, ist eine Händigkeitsuntersuchung nicht notwendig. In dem „Anamnesebogen zur Abklärung der Händigkeit – nach Methodik Dr. Johanna Babara Sattler, München“¹, werden verschiedene Fragen zur Händigkeit in der Verwandtschaft und zur Geburt sowie Entwicklung aber auch zu verschiedenen Tätigkeiten gestellt. Es ist wichtig, die Untersuchung der Seitigkeit von einem Fachmann ausführen zu lassen.

Von Schnelltests wird ausdrücklich abgeraten. Denn neben der ausführlichen Beobachtung des Handgebrauchs müssen die Ursachen für den möglicherweise instabilen Handgebrauch herausgefunden und in das Ergebnis mit eingebunden werden. Auch die Vererbung darf nicht außer Acht gelassen werden.

Klassische Testmethoden mit mechanischen Anwendungen können laut Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen zu Fehlern führen, da hierbei geschulte Tätigkeiten, also die manipulierten Handlungen, wie Schreiben und Malen getestet werden. Auch Geschicklichkeitstests haben die gleichen Risiken, da Linkshänder oft diese Tätigkeiten mit der rechten Hand erlernt haben.²

Nach neusten Erkenntnissen kann auch nicht in jedem Fall aus der Füßigkeit auf die Händigkeit geschlossen werden. Der Fuß hat viel weniger feinmotorische Qualitäten als die Hände. Zusätzlich verfälschen bei jüngeren Kindern Gleichgewichtsprobleme die Bestimmung des präferierende Fußes. Noch geringere Zusammenhänge bestehen zwischen der Äugigkeit und der Händigkeit.

Das Konzept der konsequenten Seitigkeit wird heute nicht mehr vertreten, es können Abweichungen entstehen, hierbei spricht man dann von einer gekreuzten Dominanz, welche früher als fehlerhafte Entwicklung angesehen wurde.

Spontane Beobachtungen eignen sich, im Gegensatz zu Papier-Bleistift-Tests, besonders gut. Hervorragend sind hierbei Tätigkeiten, die besondere feinmotorische Leistungen und Geschick bedürfen. Hierbei wird nämlich die Lateralität besonders beansprucht und weist somit auf die angeborene Hirnigkeit hin. Es ist wichtig, dass die Objekte zur Körpermitte hin angeboten werden, damit nicht der kürzere Weg die Wahl der Hand bestimmt.

¹ vgl. Meyer, S.34f.
² vgl. Sattler, “Das linkshändige Kind…“, S.25-29

Das Kind sollte möglichst nicht merken, dass es beobachtet wird. Auf diese Weise können Eltern einen Vortest ausführen, welcher einen professionellen Test nicht ersetzen sollte, aber als eine Entscheidungshilfe für einen solchen Test dienen kann. Geeignete Tätigkeiten wären z.B.: Blumen gießen mit einer kleinen Kanne, kreiseln, Perlen aus einem Glas holen und wieder zurück bringen, Perlen auf einen Draht auffädeln, der senkrecht steht, das Zählen von Streichhölzern und das Vormachen vom Zähneputzen.

Wird bei diesen Tätigkeiten deutlich, dass eine Untersuchung der Händigkeit von Vorteil wäre, sollte man einen Experten aufsuchen. Dieser kann ganz unterschiedliche Berufe ausüben, da in den meisten Berufen die Linkshandberatung nicht speziell ausgebildet wird. Die Personen haben an Zusatzqualifikationen teilgenommen, die sie dazu berechtigen die Händigkeitstestung durchzuführen.

Oft handelt es sich hierbei um Ergo- und Mototherapeuten, Schulpsychologen, Sozialpädagogen oder Heilpädagogen.³ Zu nennen wäre der Fall unserer Außenbetreuerin Silke Presch, die nach der Wende eine Umschulung zur Heilpädagogin und dann noch die Zusatzqualifikation als Linkshandberaterin nach Frau Dr. Sattler machte (siehe Anhang 3, Frage 2).

Wir haben sie besucht, um uns selbst auf unsere Händigkeit testen zu lassen und haben hierbei herausgefunden, dass bei Zweien von uns die Händigkeit nicht ganz eindeutig ist. Um mehr herauszufinden, haben wir den Test nach Frau Dr. Sattler bei einem unserer Gruppenmitglieder durchgeführt. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kolloquium.

Das Testverfahren nach Dr. J. B. Sattler ist eines der häufigsten. Es gibt allerdings auch noch andere Untersuchungsmethoden, wie z.B. die Methode der freien Beobachtung nach J. Kramer. Diese einfachen Testmethoden können an verschiedenen Orten ausgeführt werden, wie z.B. in der Schule oder in der Kindertagesstätte. Diese Aufgabe können Erzieher oder Betreuer übernehmen. Sie müssen genau darauf achten, mit welcher Hand die Kinder Tätigkeiten ausführen.

Wichtig ist hierbei, mit welcher Hand sich das Kind meldet, mit welcher es Türen oder Fenster öffnet und den Lichtschalter bedient. Ebenfalls sollte beobachtet werden, mit welcher Hand das Kind handwerkliche Tätigkeiten (Schraub- und Häkelarbeiten) ausführt, wie es mit Messer und Gabel umgeht und mit welcher Hand das Kind sein Essen zum Mund führt.

Vorher sollte sich die testende Person jedoch in der Familie nach dem Vorkommen der Linkshändigkeit erkundigen und mit den Eltern über die Entwicklung der Händigkeit des Kindes reden. Von besonderen Interessen sind die frühen Jahre der Kindheit. Kinderfotos und Videos können hierzu Auskünfte geben.

Die Eltern sollten auch dazu befragt werden, welche Hand das Kind für alltägliche Tätigkeiten benutzt (Haare kämmen, Zähne putzen, Ausschneiden,…).
Die Beobachtung der Händigkeit beim Spielen (ebenfalls nach J. Kramer) ist sehr hilfreich. Das Kind führt hierbei feinmotorische Tätigkeiten aus.

Beim Bauen von Türmen aus Holzklötzen, Malen oder beim Spielen mit LEGO® sollte aufmerksam auf den Gebrauch der Hände geschaut werden.
Wenn das Kind mit anderen spielt, kann man sehen mit welcher Hand sich das Kind wehrt und schützt (z. B. Hand vor die Augen halten).

Die Psychologin hält Spiele für geeignet, bei denen das Kind nur mit einer Hand aktiv ist, während die andere nur als Unterstützung dient. Sie differenziert drei Spielvarianten.

³ vgl. Weber, S.46f.

Bei der ersten Art muss das Kind Kraft aufwenden (z. B. Hämmern, Werfen,…).
Die zweite Variation erfordert Geschicklichkeit und bei der Letzten ist eine schnelle Reaktion die Voraussetzung. Hierfür werden von Kramer empfohlen, „Spitz-pass-auf“ und das „Fischerspiel“.

Die Prüfung des bevorzugten Handgebrauchs nach den Methoden von J. Kramer verläuft wie folgt: das Kind soll zum Beispiel nach einen rollenden Gegenstand, welcher auf den Boden geworfen wird, greifen. Danach soll es ein schweres Buch holen. Im Folgenden muss das Kind weitere Tätigkeiten ausführen, z. B. soll es Buchstaben sortieren.

Dabei wird aufmerksam beobachtet, ob beide Hände zum Einsatz kommen und welche geschickter ist. Außerdem wird das Bleistiftspitzen und Blumengießen beobachtet. Auch soll das Kind ein Bild seiner Wahl malen. Dies wird mit beiden Händen ausgeführt und dann verglichen. Nach dem Ausführen der Aufgaben wird die Anzahl der Bevorzugungen für links und rechts gemessen, aus der Differenz ergibt sich die Händigkeit.

Eine andere Untersuchungsmethode stammt von Fischer und Kohenof. Sie lassen das Kind nachfolgende Tätigkeiten ausführen, es steht vor einem Tisch und soll die Arme herunter hängen lassen. Nun soll es das Anklopfen an eine Tür simulieren. Ebenso erfolgt es mit dem Zähneputzen, dem Aufheben eines Bleistiftes, dem Kämmen, den Wurf eines Balles, dem Radieren von Bleistiftstrichen und dem Zerreißen eines Stück Papiers, wobei die zerreißende Hand von Bedeutung ist.

Die bisher beschriebenen Tests sind sich in Umfang und Ausführung relativ ähnlich. Es gibt aber auch noch Testmethoden, die auf eine andere Art durchgeführt werden. Die bevorzugte Hand kann eine Tätigkeit nicht nur präziser und einfacher, sondern auch mit einer höheren Geschwindigkeit ausführen. Die Anwendungen werden dabei von den Kindern zu Beginn mit der rechten und dann mit der linken Hand ausgeführt.

Währenddessen wird die Zeit gestoppt und kann dann verglichen werden. Eine Variante dafür ist der Punktiertest nach Binet und Vaschide (siehe Abbildung 10, Seite 54). Es handelt sich um ein Quadrat mit 100 Kästchen, welche von der Testperson so schnell und genau wie möglich, von oben links beginnend (zweite Reihe dann von rechts nach links), mit Punkten versehen werden soll.

Eine andere Form stammt von Steingrüber und Lienert. Ihr normierter Test besteht aus drei Abschnitten. Man beginnt mit dem Spurennachzeichen (siehe Abbildung 11, Seite 54), dabei werden Doppellinienmuster mit einem Stift nachgefahren. Der Ausführende hat 30 Sekunden pro Hand (Kinder bis 12 Jahren), bis dann die erreichte Strecke gemessen wird (Erwachsene und Jugendliche haben nur 12 Sekunden). Problem bei dieser Methode ist jedoch, dass keine Umschulung berücksichtigt wird. Außerdem erfordert eine genaue Auswertung einige Erfahrung.

Der Leistungs-Dominanz-Test von E. Schilling (siehe Abbildung 12, Seite 55) verlangt von den Probanden, dass sie 150 Kreise mit einem speziellen Stift punktieren. Beobachtungen der Zeichnungen können ebenfalls Auskunft über die Händigkeit geben. Die Personen sollen zeichnen, was sie möchten und dabei die Hand benutzen, mit der es ihnen leichter fällt (siehe Abbildung 13/14, Seite 55/56).

vgl. Meyer, S.27-32

Eine Beobachtung des Schreibens ist schwieriger, da feinmotorische Störungen vorhanden sein können. Diese können aus dem Sauerstoffmangel bei der Geburt oder Schädigungen im Mutterleib resultieren.
Diese Störungen werden als Minimale zerebrale Dysfunktion („MCD“), (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) oder „Teilstörung in der Schule“ bezeichnet.

Abgrenzungen zwischen den Folgen einer Umschulung und diesen Störungen können nur von Fachleuten vorgenommen werden. Diese Störungen wirken sich nicht auf die Intelligenz aus, aber auf die Ergebnisse der Tests. Ist eine MCD ausgeschlossen, so kann man sagen, dass das Schreiben über eine längere Dauer beobachtet werden muss.

Außerdem ist es wichtig, sich über die Entwicklung der Händigkeit bei der Person zu erkundigen, da umgeschulte Linkshänder gelernt haben, mit der rechten Hand zu schreiben und somit das Schreibbild mit der linken Hand schlechter ist.

Leichter zu ermitteln ist die Füßigkeit, hierzu können verschiedene einzelne Tests durchgeführt werden. Aus der Ausgangssituation mit geschlossen Füßen sollen zum Beispiel die Schuhe abgestreift, ein Hindernis mit einem großen Schritt überschritten, ein Ball gestoßen, ein Ziel mit einem Ball getroffen oder auf einem Bein gehüpft werden.

Hierbei ist das Bein, welches die Tätigkeit ausführt das dominante.
Wie bereits erwähnt, kann man aber nicht zwangsläufig von der Füßigkeit, Ohrigkeit oder Äugigkeit auf die Händigkeit schließen. Trotzdem möchte ich noch einige Methoden zu Testung der Ohrigkeit und Äugigkeit nennen.

Die Ohrigkeit kann man feststellen, indem man dem Kind von hinten leise etwas zuflüstert, es wird sich dann mit dem dominanten Ohr umdrehen. Oder man legt eine Taschenuhr auf die Mitte des Tisches. Das Kind soll an ihr lauschen. Die Dominanz des Ohres kann allerdings durch eine Mittelohrentzündung beeinflusst werden.

Dieser Sachverhalt gilt auch für die Augen. Die Äugigkeit kann man durch die Methode nach J. Perret („Ente-Hase-Test“) bestimmen. Das Kind hat die Augen geschlossen. Die Abbildung wird 60 cm vor ihm auf den Tisch gelegt. Dann soll es die Augen öffnen und sagen, um welches Tier es sich handelt. Ein rechtsäugiger Mensch erkennt eine Ente, ein linksäugiger einen Hasen. (siehe Abbildung 15, Seite 56)

Der bereits erwähnte Testbogen nach Frau Dr. J. B. Sattler umfasst eine große Spanne der hier beschriebenen Versuche.

vgl. Meyer, S.31-46

vgl. Meyer, S.46-48