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5.1 Schwierigkeiten des Linkshänders im Alltagsleben, Hobby und der Berufswelt – (11/2011)

„Die meisten erwachsenen Linkshänder haben sich an Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten in Alltag und Berufsleben gewöhnt, so dass ihnen nicht mehr bewusst wird, welche Benachteiligungen und zusätzlichen Anstrengungen sie dafür auf sich nehmen.“¹ 
Linkshänder haben nicht nur mit Vorurteilen zu kämpfen, wie wir ein paar Seiten vorher schon erfahren haben, es ergeben sich für sie auch viele Probleme im Alltagsleben, Hobby und Beruf.

So müssen sie in vielen Lebenslagen Unannehmlichkeiten geringfügigen oder enormen Charakters bezwingen, die für uns Rechtshänder problemlos erscheinen. Ursache hierfür ist vor allem die präferierende Nutzung der linken Hand, die schon mit der Geburt eines Linkshänders beginnt. Dies wird nun an einem Beispiel kurz erläutert.

Entwickelt sich ein linkshändiges Kind können beispielsweise Eltern, Großeltern und Verwandte tagtäglich spüren, wie es sich durch eine Welt, die auf Rechtshänder ausgerichtet ist, kämpft. Ist ihnen die Linkshändigkeit ihres Kindes noch nicht bewusst, wundern sie sich jeden Kalendertag aufs Neue, wie eigenartig es in bestimmten Situationen handelt.

Sie sprechen dann häufig von Ungeschicklichkeit oder auch Umständlichkeit. Befindet sich der Löffel rechts vom Teller, bleibt dem Kind nichts anderes übrig als ihn zum Speisen in die linke Hand zu überreichen und das rechts oben befindliche Trinkgefäß muss ebenfalls mit der ungelegenen Hand angefasst werden. Hantiert der Nachwuchs beim Spielen mit einem Baukran, probiert er mühsam, die rechtsseitig befestigte Kurbel durch Verrenkung des Arms mit der linken Hand zu benutzen.

Wenn das Mädchen oder der Junge nun lernt, mit dem Fahrrad zu fahren, steigt es fast immer vorzugsweise von der rechten Seite aus auf und ab und möchte das Rad links von sich rollen. Der Ständer des Fahrrads, ist allerdings auf der gegenüberliegenden Seite, so dass das Kind kompliziert wechseln muss.

Diese Situationen gewähren nur einen kleinen Einblick in die Problematik der direkten Favorisierung der linken Hand, die nichts mit Tollpatschigkeit oder ungenügender Koordinationsfähigkeit zu tun haben.² Jedoch ist man nicht nur als linkshändiger Neugeborener solchen Erschwernissen ausgesetzt, sie setzen sich bis ans Lebensende fort.

Kommt man in die Schule, gehen die Schwierigkeiten mit der Schere, dem Füller oder dem Lineal weiter. Auch im Sportunterricht fühlen sich Linkshänder gegenüber Rechtshändern benachteiligt, „…als unsere Lehrerin die Technik beim Kugelstoßen erklärte und dies nur aus der Sicht eines Rechtshänders machte.“ (siehe Anhang 5, Frage 5).

Später bei der Berufswahl merkt man, dass Berufe, die für Rechtshänder problemlos zu bewältigen sind, für Linkshänder erst gar nicht in Frage kommen. Es ist erstaunlich, dass in unserer heutigen Gesellschaft Linkshänder in ihrer Berufswahl immer noch eingeschränkt sind, dass es auch in unserer Zeit immer noch Berufe gibt, die nicht ohne Weiteres von Linkshändern ausgeübt werden können (siehe Anhang 2).

¹ Weber, S.61 f.
² vgl. Weber, S.61

„Viele Arbeitsplätze sind so eingerichtet, dass ein Arbeiten mit links gar nicht möglich ist.“³ Probleme stellen Tastatur-Nummernblock und PC-Maus auf der für den Linkshänder falschen Seite dar sowie Maschinen, die nicht mit links betätigt werden können (siehe Anhang 3, Frage 5).

Im Laufe der Recherchen wurde deutlich, „dass laut statistischen Untersuchungen sowohl linkshändige Frauen als auch Männer im Vergleich zu Rechtshändern mehr Arbeitsunfälle und mehr Verletzungen beim Sport und im Haushalt erleiden“. „Bei Autounfällen, so weisen die statistischen Zahlen aus, ist die Unfallrate bei linkshändigen Menschen sogar doppelt so hoch wie bei Rechtshändern“.

Die Auslöser dieser zwei Aspekte liegen auf der Hand: Unser Know-how ist in erster Linie auf die Wünsche der Rechtshänder angepasst. Sichtbar an einer großen Anzahl von Produkten, die wir im persönlichen und beruflichen Gebiet nicht entbehren können. Beispielsweise, wie oben bereits erwähnt, Maschinen oder auch Küchen- und Laboreinrichtungen, die sich geeigneter mit rechts als mit links anwenden lassen.

In diesem Zusammenhang könnte die Wirtschaft mit spezifischen Warenangeboten Erschwernisse beseitigen. Die Ergonomen (die sich theoretisch mit den jeweils bestmöglichen Arbeitsvorgängen und -voraussetzungen auseinandersetzen) drängen im größten Maße sich der Thematik der Linkshändigkeit zu zuwenden.

Durch sie ist es dem industriellen Wirtschaftssektor und vor allem dem Einzelhandel schon in vielen Punkten gelungen, den Wünschen linkshändiger Menschen enorm nachzukommen. Sie entwickelten eine Reihe von nützlichen Gebrauchsgegenständen, die den Alltag spürbar erleichterten.

In welcher Form kann man die Bedürfnisse von Rechts- und Linkshändern in gleicher Weise befriedigen? „Bei der Planung von Spiel- und Werkzeug, Bedienfeldern an Geräten und Maschinen und der Einrichtung von Räumen und Arbeitsplätzen wäre eine für Links- und Rechtshänder gleichermaßen geeignete Auslegung ideal (Schmauder 1999).“

Konstrukteure und Gestalter haben in manchen Bereichen begonnen, die Händigkeit in die Planung fabrikneuer Waren einzubeziehen. Noch ist dies aber mehr eine Ausnahmeerscheinung als eine Regelmäßigkeit.

Ein Beispiel für solch einen Mittelweg ist das Design von analogen Computermäusen, die von Rechts- und Linkshändern problemlos durch ihre Einstellbarkeit zu benutzen sind. Es gibt aber auch Bedarfsartikel, wo eine Einigung unmöglich ist. Dies ist bei der Schere der Fall, bei der man zwei unsymmetrische Formen zur Verfügung stellen muss.

Im Interview mit Linkshänderin Julia Hartung stellten wir die Frage: „Ergeben sich in unserer rechtshandorientierten Gesellschaft im Alltag für dich als Linkshänder Probleme?“ (siehe Anhang 5, Frage 4).

Die Antwort ihrerseits lautete: „Nein, beziehungsweise habe ich Wege gefunden, diese Probleme zu bewältigen. Es ist zum Beispiel für mich als Linkshänderin schwer, mit einer „normalen“ Schöpfkelle Suppe zu schöpfen, jedoch habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt.“.

³ Freies Wort, S.8
 vgl. ebenda
 Meyer, S.90
Meyer, S.90
 vgl. Meyer, S.10,90,91
Weber, S.62
vgl. ebenda

In diesem Zusammenhang bewahrheitet sich das oben erwähnte Zitat am Anfang des Textes. Es bereitet ihr Schwierigkeiten, mit einer Schöpfkelle, die für Rechtshänder hergestellt wurde, zu hantieren. Doch der Gewohnheit wegen benutzt sie sie, obwohl Julia, eigentlich weiß, dass es auch Modelle für den linken Handgebrauch auf dem Markt gibt (siehe Anhang 5, Frage 8).