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4.1.3 Die christliche Symbolik – (12/2015)

Wie bereits erwähnt, kommt es in der Bibel zu keiner moralischen Bewertung der Seiten. Dies geschieht erst in der christlichen Liturgie, welche durch die griechisch-römische Kultur beeinflusst ist. Dort steht rechts für die glückliche Seite, links für die unglückliche. In späteren Schriften von Augustinus, welcher ein großer Kirchenvater ist, finden sich die Abwertung der linken Seite und die Hervorhebung von rechts wieder. So fließt diese Seiteneinteilung mit in die christliche Liturgie und, durch das christliche Brauchtum übertragen, auch mit in die Kunst ein.

Diese Seitensymbolik ist ebenfalls in geosteten Kirchengebäuden aufzufinden (Abb. 4). Werden Kreuzigungsdarstellungen betrachtet, ist auffällig, dass die bedeutenden Menschen und Wesen stets auf der rechten Seite Jesu zu finden sind, die weniger bedeutsamen dagegen auf der linken.

Ein Beispiel dafür ist die Darstellung der Kreuzigung Christi aus der Sammlung ’Hortus deliciarum’, welche von der Äbtissin Herrad von Landsberg stammt. Zur Rechten des Gekreuzigten ist die Ekklesia, welche in der Abbildung personifiziert wird, dargestellt. Sie reitet auf dem Tetramorph und verkörpert die Siegerin. Als ihr Gegenstück ist auf der linken Seite die Synagoge als Person abgebildet, welche auf einem Esel sitzt.

Der Verbrecher, welcher seine Sünden bereut, ist der Gekreuzigte rechts von Jesus. Auf der linken Hälfte erkennt man hingegen den nicht bereuenden. Maria, die Mutter Jesu, zählt als sehr wichtige Person und ist daher rechts angeordnet. Ihr gegenüber steht der Jünger Johannes, welcher geringer gewertet wird. Sehr auffällig ist in dieser Abbildung auch die rechts dargestellte Sonne, aufgrund ihrer höheren Bedeutung und der weniger wichtige Mond auf der linken Seite.

Als letzte bedeutsame Person wird rechts der Hauptmann Longius gezeigt, welcher Jesus mit der Lanze in die Seite stach. Ihm gegenüber steht der Soldat, der den Essigschwamm hält. Die Wertung der Seiten ist ebenfalls sehr deutlich an den Gemälden des „Jüngsten Gerichts“ erkennbar. Bei solchen Darstellungen ist rechts das Paradies mit den Seligen abgebildet und links die Hölle.

Bei Stifterbildnissen finden sich auf der rechten Seite des Heiligen der Vater und hinter diesem die Söhne, während links neben dem Heiligen die Mutter mit den Töchtern dargestellt wird. So durchzieht die traditionelle Seitenaufteilung die gesamte christliche Kunst (Sattler, 1998, S. 118 ff.).