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1.6. Linkshändigkeit – (12/2016)

Lange wurde die Linkshändigkeit als medizinische Abweichung, als Defizit oder als Krankheit behandelt und ursächlich erforscht, zum Beispiel „Linkshändigkeit als Folge einer Hirnschädigung“. In diesem Sinne ist die Wissenschaft und Forschung weiter gefordert, zum Phänomen Linkshändigkeit differenzierte Klarheit und konkrete Antworten zu finden.
Die Dominanz der linken Hand ist bei jeder Person unterschiedlich stark ausgeprägt. Bereits im Mutterleib kann die Händigkeit durch genaues Beobachten, beispielsweise durch das Daumenlutschen des Embryos, bestimmt werden.
Die Frage, ob die Linkshändigkeit genetisch vererbt wird oder ob weitere Faktoren eine Rolle spielen, ist bis jetzt noch nicht vollständig geklärt. Folgende Gründe sprechen für die genetische Veranlagung:

  • Sind beide Eltern Linkshänder, ist die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, dass das Kind ebenfalls Linkshänder sein wird. Sind die Eltern Rechtshänder, beträgt die Wahrscheinlichkeit zwei Prozent.
  • Bei Eltern mit einer unterschiedlichen Händigkeit spielt es eine Rolle, welcher Elternteil linkshändig ist. Ist es die Mutter, steigt die Chance auf ein linkshändiges Kind.Andere Faktoren widersprechen dieser Theorie:

• Bei Zwillingen wurde festgestellt, dass die Linkshändigkeit doppelt so häufig auftritt als bei Einzelkindern, aber auch Zwillinge können unterschiedliche Händigkeiten aufweisen (Scinexx, das Wissenschaftsmagazin 08.08.2014).

Chris McManus, Professor für Neurologie am University College London, vertritt die Auffassung, wonach ein Gen zwei mögliche Ausprägungen haben kann: D für rechtshändig „dextral“ und C für Zufall „chance“. Wenn zwei Ausprägungen vorhanden sind, entfällt der Kontrollmechanismus der Händigkeit und der Zufall entscheidet, welche Hand dominiert. Nach dieser Theorie wären Menschen mit zwei D-Allelen⁴ immer rechtshändig. Bei Menschen mit der Ausprägung C und D setzt sich häufig das Rechtshänder-Gen D durch. Besitzt ein Gen zwei identische Allele ist es homozygot, sind die Allele unterschiedlich spricht man von einem heterozygoten Gen.

Die sogenannte „Right-shift“-Theorie der Psychologin Marian Annett von der University of Leicester steht dem Modell von McManus gegenüber. Marian Annett ist der Meinung, dass es ein Gen gibt, das dazu beiträgt, die Sprache in der linken Hirnhälfte zu entwickeln, was gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für eine Rechtshändigkeit erhöht. Die Händigkeit stellt demnach eine Nebenwirkung eines Gens dar, das die Dominanz der linken Gehirnhälfte und damit das Sprachzentrum fördert und bestimmte Kontrollmechanismen der rechten Gehirnhälfte schwächt (Scinexx, das Wissenschaftsmagazin 08.08.2014). Beide Theorien erbrachten bisher keine abschliessenden Beweise.

Die Neurologen Gschwind, N. und Galaburda, A. sind von einem Zusammenhang der Linkshändigkeit und einer vorgeburtlicher Hormonschwemme überzeugt. Testosteron, das männliche Geschlechtshormon soll die Entwicklung der linken Gehirnhälfte bremsen und das Auslagern einiger Funktionen in der rechten Gehirnhälfte fördern. Anhand dieses Prinzips lässt sich die hohe Anzahl linkshändiger Männer und linkshemisphärische Störungen wie zum Beispiel das Stottern erklären (Scinexx, das Wissenschaftsmagazin 08.08.2014). Auch zu dieser Theorie fehlen abschliessende Beweise.

⁴ Allel ist eine Bezeichnung für die Ausprägung eines Gens. Im Falle von McManus’ Theorie die Ausprägung C und D.
Homozygot bedeutet, dass das Erbgut einer Zelle zwei identische Allele, also zwei gleiche Kopien eines bestimmten Gens auf den beiden Chromosomen aufweist, die das Gen enthalten.