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3.1. Ergebnisse ausgehend von den Leitfragen aus den Interviews – (12/2016)

Wo liegen die Probleme der Linkshänder im Alltag, trotz den Erleichterungen und der sozialen Akzeptanz?

Viele Linkshänder wünschen sich bessere Materialien und Alltagsgegenstände. Alltägliche Probleme äussern sich vor allem bei der Bedienung von technischen Geräten, die speziell für Linkshänder konzipiert sind. Laut Aussagen der Inhaber von Linkshändershops stellen Artikel wie die Computermaus, Tastatur, Fotoapparate mit dem Auslöser auf der linken Seite eine grosse Nachfrage dar. Haushaltgeräte wie Messer, Schäler und Dosenöffner sind zudem sehr gefragt, da sich Linkshänder ohne diese Werkzeuge im Alltag nur schwer behelfen können.

Linkshändige Schüler äussern, dass sie sich für den Schulalltag mit speziellen Utensilien ausrüsten müssen. Normale Schulartikel wie Ringhefte, Federfüller, Scheren und Massstäbe sind für sie nicht zu gebrauchen. Für den Erhalt dieser Hilfsmittel müssen sie sich immer speziell einsetzen. Alle Linkshänder äussern, dass ihre Schreibarbeit trotz Sorgfalt einen schlechten Eindruck hinterlässt, da durch die linke Schreibweise das Geschriebene verwischt und dadurch unsauber wirkt.

Sie erwähnen zudem, dass der Sportunterricht für sie eine weitere Herausforderung darstellt, da Sportlehrer über ihre Händigkeit zu wenig informiert sind und die erbrachten Leistungen falsch interpretiert oder wegen zu hohem Zeitbedarf disqualifiziert werden. Erzählungen von Linkshändern zeigen auf, wie anstrengend es ist, Übungen auf Links zu übersetzen. Linkshänder wünschen sich in gewissen Situationen mehr Verständnis, dies vor allem in Situationen, in welchen sie mehr Zeit brauchen, die sie für Übersetzungsprozess von rechts nach links benötigen.

Eine weitere prägende Aussage in den Interviews zeigt, wie Linkshänder aufgrund ihrer Langsamkeit oder „Tollpatschigkeit“ oftmals abwertende Kommentare zu hören bekommen, zum Beispiel „Typisch Linkshänder“.

Wie begegnet das Umfeld den Linkshändern?

Gemäss Aussagen von Musiklehrern und Lehrern wird die Linkshändigkeit bei Schulbeginn abgeklärt. Wünsche und Bedürfnisse der Schüler werden berücksichtigt und es wird Wert auf eine individuelle Unterstützung gelegt. Beispielsweise werden im Musikunterricht für linkshändige Schüler gezielte Übungen eingebaut, mit dem Ziel, das Handling zu optimieren, beispielsweise für die Bogenführung im Geigenunterricht.

Die zwei interviewten Fahrlehrer bemerkten, dass sie ein besonderes Augenmerk auf die Linkshändigkeit legten und dass sie dies im Fahrunterricht gezielt berücksichtigen. Beobachtbar seien zum Beispiel gewisse Schwierigkeiten beim Schalten des Fahrzeugs.

Zwei interviewte Lehrpersonen, die erst kürzlich das Studium abgeschlossen hatten, sagten aus, dass dem Thema Händigkeit in einem geringfügigen Teil Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Eine interviewte Berufsschullehrperson bestätigte diesen Sachverhalt ebenso.

Gemäss Rückmeldungen von in Deutschland tätigen Linkshänderberatungsfach- personen setzen sich Pädagogen vermehrt dafür ein, das fehlende Wissen mit fachspezifischer Weiterbildung und Information über die Händigkeit zu erschliessen. In Deutschland beanspruchen immer mehr Eltern in Bezug auf die Händigkeit eine Fachberatung. Sie sind daran interessiert, ihrem Kind die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Laut Aussagen der Berater steigt Nachfrage für Beratungsangebote jährlich an.

Die von mir interviewten Eltern äussern dahingehend wenig Bedarf. Aktuell nähmen sie keine Fachberatung oder Unterstützung in Anspruch, da es die Situation ihrer Kinder nicht erforderlich mache.

Wie helfen sich Linkshänder bei den Problemen selber?

In den Interviews äussern Linkshänder einen klaren Bedarf an spezifischen Hilfsmitteln, zum Beispiel Linkshänderscheren oder linkshändergerechte Schreibutensilien. Linkshändige Schüler attestieren, dass sie aufgrund von Koordinationsproblemen im Unterricht aber auch im Sport direkten Kontakt mit der Lehrperson wünschten. In allen mit Linkshändern geführten Interviews wird deutlich, dass „Hilfe zur Selbsthilfe“ für sie ein wichtiges Grundprinzip darstellt.

In welchem Alter benötigen die Linkshänder am meisten Hilfe?

Ausgehend von den Interviews kristallisiert sich eine klare Altersgruppe heraus, die konkreten Unterstützungsbedarf äussert. Überraschenderweise ist es nicht wie ich geglaubt habe die Altersgruppe 7-12 sondern die Gruppe der 13-18 jährigen. Sie scheint sich der Bedeutung und Auswirkung der Händigkeit sehr viel bewusster zu sein und pflegt einen reflektierteren Umgang aufgrund gemachter Erfahrungen.

In welchem „Alltagsbereich“ ist eine Hilfe oder ein Entgegenkommen deutlich notwendig bzw. wo fehlen Unterstützungen?

Anhand der Aussagen der Linkshänder wird deutlich, dass sie keine „Sonderbehandlung“, sondern ein Entgegenkommen und Toleranz wünschen. Schüler erhoffen sich vor allem im Sport und Hobbies mehr Unterstützung. Linkshänder äussern zusätzlich den Wunsch nach „linkshändergerechten“ Werkzeugen und Instrumenten. Linkshänder im Alterssegment 19+ erkennen als neue Herausforderung den Einstieg in die rechtsorganisierte Arbeitswelt. Sie sind jedoch der Meinung, dass dies eine Sache der Einstellung und Anpassungsfähigkeit sei.