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4.1.1 Schwierigkeiten im Alltag am Beispiel der Schule – (11/2005)

Um die Fragestellung, ob man als Linkshänder tatsächlich ein Leben der Anpassung führt – soweit es im Rahmen dieser Arbeit möglich ist – zu klären, möchte ich im folgenden Kapitel näher auf den Alltag eines Linkshänders eingehen. Schwerpunkte möchte ich hierbei einerseits bei der These der Anpassung und andererseits bei der Unterstützung und Förderung von Linkshändern legen.

Das Leben eines Menschen wird maßgeblich durch die Schule geprägt, so auch bei einem Linkshänder. Ein linkshändiges Kind steht allerdings mehr Problemen gegenüber als ein rechtshändiges Kind und diese Schwierigkeiten möchte ich nachfolgend erläutern.
Die erste Klasse der Grundschule ist sehr entscheidend für ein Kind, da hier das ordnungsgemäße Schreiben erlernt wird. Für einen Rechtshänder ist dies kein Problem, da er einfach einen Füller nehmen und die ersten Zeichen schreiben kann, da die Feder eines für Rechtshänder ausgelegten Füllers oft so angeschliffen ist, dass diese beim Schreiben glatt aufliegt und dadurch einen optimalen, also gleichmäßigen Tintenfluss gewährleistet.

Ein Linkshänder hingegen kann wahrscheinlich nicht mit solch einem Füller schreiben, da er mit der linken Ecke der angeschliffenen Seite auf dem Blatt aufsetzen würde und so die Tinte nur unregelmäßig fließt und unter Umständen sogar Papierfasern aus dem Blatt gekratzt werden. Dies führt zu einem verschmierten Schriftbild und einer deutlich schnelleren Abnutzung der Feder als bei Füllern, die von Rechtshändern geführt werden. Um dem linkshändigen Kind das Schreibenlernen zu erleichtern gibt es spezielle Linkshänderfüller, deren Federn anders oder gar nicht angeschliffen sind und so ein problemloses Schreiben ermöglichen.

Der nächste zu behebende Umstand ist die Handstellung beim Schreiben. Grundsätzlich kann man zwei Typen unterscheiden: Die normale Schreibposition und die eingedrehte Schreibposition. Bei der normalen Position ist das Blatt leicht schräg nach rechts verschoben, so dass die Schreibhand unterhalb des gerade Geschriebenen liegt und nichts verwischt wird. Ungefähr 30% der Linkshänder jedoch schreiben in der eingedrehten Position, dabei wird das Blatt leicht schräg nach links verschoben und das Handgelenk eingedreht.

Zur Ursache dieser Haltung gibt es viele Theorien, unter anderem gibt es Untersuchungen, die belegen, dass Kinder von Eltern, die in der eingedrehten Position schreiben, auch später diese Haltung übernehmen.³⁴ Das Problem bei dieser Haltung besteht darin, dass der Schüler das gerade Geschriebene nicht im Überblick behalten kann und außerdem die noch nicht getrocknete Tinte verwischt, wenn der Arm darüber streift. Dadurch können ganze Textstellen unleserlich werden. Die unnatürliche Eindrehung der Hand führt bei langem Schreiben zudem zu Schmerzen, die sich nachteilig auf das Schriftbild auswirken können.

Abgesehen von der Schreibhaltung des Kindes besteht auch immer die Gefahr, dass ein Rechtshänder, der links neben einem Linkshänder sitzt, mit diesem beim Schreiben zusammenstößt und so die Schriftbilder beider Schulanfänger gestört werden. Deshalb sollten Lehrer und Schüler auch darauf achten, dass die Kinder sich nicht gegenseitig behindern und ein Linkshänder nach Möglichkeit auf der linken Seite neben einem Rechtshänder sitzt.

Eine weitere Schwierigkeit tritt beim Basteln mit Papier und Schere auf. Ein linkshändiges Kind wird kaum oder gar nicht mit einer Schere für Rechtshänder schneiden können. Die Ursache hierfür ist in der Position der Schneiden zu suchen. Bei normalen Scheren ist der Teil mit der oberen Schneide rechts angeordnet. Beim Schließen der Schere werden die Schneiden zusammen gedrückt, da die Finger die Schere festhalten.

Beim Öffnen der Schneiden verrutscht das Papier und lässt sich nicht mehr schneiden, so ergeht es einem Linkshänder, wenn er versucht mit einer Schere für Rechtshänder zu schneiden. Da Linkshänder spiegelverkehrt zu Rechtshändern arbeiten, muss die Schere einfach gespiegelt werden, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Schneiden einer Linkshänderschere sind dem zu Folge andersherum angeordnet, als die einer Rechtshänderschere. Hier befindet sich die Fingerschlaufe der oberen Schneide auf der linken Seite.³⁵

Ebenfalls zur Herausforderung wird das Zeichnen und Abmessen mit dem Lineal. Ein Linkshänder zieht den Strich intuitiv von rechts nach links, was beim Zeichnen an sich kein Problem darstellt, es wird aber zur Herausforderung beim Abmessen von Strecken. Die Zentimeterangaben beginnen auf der linken Seite des Lineals und wachsen nach rechts. Der Linkshänder muss nun also das Lineal mit der rechten Hand festhalten und mit der linken von links beginnend den Strich ziehen. Mit zunehmender schulischer Erfahrung jedoch wird das linkshändige Kind sicherlich die Vorgehensweise ändern und von rechts, bei entsprechender Längenangabe, beginnend Richtung Null zeichnen.

Doch die Linkshändigkeit kann auch ein Vorteil sein, zum Beispiel beim Sport. Hierbei sind vor allem Sportarten gemeint, bei denen man direkt gegen einen Gegner antritt, also Tennis oder Boxen. Beim Tennis geht es nicht nur darum den Ball möglichst hart und schnell zu treffen, sondern auch darum vorauszuahnen wo sich der Gegner als nächstes aufhalten wird und den Ball so zu lenken, dass dieser möglichst weit entfernt vom Gegner das Feld trifft.

³⁴ Vgl. McManus, Chris: Right Hand, Left Hand, London 2002, S. 324f. (siehe Anlage 9)
³⁵ Vgl. Niemann, Julia: Das kleine Buch für Linkshänder, München 1999, S. 32f.

Diese Einschätzung des Gegners basiert auf Erfahrungen, die im Training gemacht werden. Ein Rechtshänder wird während seines Trainings auf Grund der Seltenheit von Linkshändern zum größten Teil gegen Rechtshänder gespielt haben, ebenso ergeht es einem Linkshänder. Er weiß also, wie sein Gegner reagieren wird, wohingegen der Rechtshänder von einem linkshändigen Gegner überrascht werden wird, da er nicht weiß wie dieser sich im Spiel bewegt.³⁶

Ähnlich ist es beim Boxen, der Gegner erwartet die starken Schläge mit der rechten Faust und wird stattdessen von einer starken Linken getroffen. Besonders bei Schlägen auf Körperbereiche, in denen wichtige innere Organe liegen, wie beispielsweise die Leber, welche rechts liegt und deshalb ein guter Treffer nur mit der linken Hand möglich ist, kann eine präzise und starke linke Faust entscheidende Vorteile erringen, indem sie den Gegner stark schwächt.

Zusammenfassend wäre zu sagen, dass linkshändige Kinder nur dann einen erschwerten Schulstart haben, wenn Eltern und Lehrer sich nicht mit dieser Thematik befassen und auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen. Dies ist inzwischen durch viele linkshändergerechte Schreibwarenartikel und entsprechende Fachliteratur nicht mehr so schwer, wie noch vor einigen Jahren, als die Linkshändigkeit tabuisiert oder gar verurteilt wurde (vergleiche Kapitel 3.1).

³⁶ Vgl. McManus, Chris: Right hand, Left Hand, London 2002, S. 280f.