Pages Menu
Categories Menu

5.1 Die historische Entwicklung der Linkshändigkeit – (10/2016)

Die Hexe ist entlarvt, da sie mit der linken Hand auf das Kreuzzeichen schlug. Sie wurde eindeutig der Linkshändigkeit überführt. Was folgte war die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Schon im Mittelalter werden übersinnliche Praktiken, wie zum Beispiel der Satanismus, unter dem Begriff des „Pfades der linken Hand“ zusammengefasst.² Wer diese Praktiken betrieb, ist augenscheinlich vom „rechten Pfad“ abgekommen.

Wenn man über die Geschichte der Linkshändigkeit nachdenkt, fallen einem spontan zuerst die schwarzen Stunden der Geschichte, im Sinne von Verfolgung im Mittelalter, ein, denn seit der Erfindung der Arbeitsteilung im Mittelalter, war die Aufteilung der beiden Hände unverzichtbar. Genauso wie heute, waren damals die meisten Menschen Rechtshänder und somit wurden die meisten Waffen auch mit der rechten Hand offensiv geführt.

Da man das Herz schützen wollte, erfolgte die Defensive dagegen mit der linken Hand.
Aus dieser Zeit stammt auch noch die bis heute aktuelle Tradition, sich bei der Begrüßung die Hände zu schütteln. Klassischerweise erfolgt der Handschlag mit rechts, was im Mittelalter symbolisierte, dass man unbewaffnet war und von einem keine Gefahr ausging.

Durch den gewissen Abstand, eine Armlänge, den einem das Händeschütteln erlaubte, sowie das Ergreifen der Hand seines Gegenübers, konnte man sicherheitshalber kontrollieren, dass nicht doch noch eine Waffe gezogen wird. Dieser Gruß, welcher hauptsächlich mit rechts ausgeführt wurde, diente also als eine Art Friedensangebot und verursachte bei Benutzung der linken Hand vorwiegend Misstrauen.

² Vgl. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/linkshaender-33-erstaunliche-fakten/ 7248610.html, (9.07.2016, 15:53 Uhr)

Diese Unterschiede in der Bedeutung beider Seiten finden wir fast überall auf der Welt. Besonders deutlich zu erkennen, wird das gegensätzliche Exempel an den neuseeländischen Maori, die der rechten Seite die positiv konnotierten Substantive der Kraft und des Lebens zuordnen und die linke Seite mit den Wörtern „Tod“ und „Schwäche“ eindeutig abwertet.¹

Auch bei vielen Indianerstämmen Nordamerikas steht die rechte Hand stellvertretend für Tapferkeit, die linke dagegen für Feigheit und Ohnmacht, sowie bei Beduinenfrauen, welche nur links neben dem Zelt sitzen, ihre Männer im Gegensatz rechts, an der höher angesehen Seite.²

Hindus waschen ihren Oberkörper stets mit der rechten Hand, die „unreinen“ Körperteile unterhalb des Bauchnabels dagegen mit der linken Hand.
Ähnlich verhält es sich auch in islamisch geprägten Ländern, dort wird die linke Hand ausschließlich zu hygienischen Zwecken gebraucht, was es dadurch missbilligt, mit dieser Hand Essen zu servieren oder andere Menschen anzufassen. Begrüßt und gegessen wird nur mit der rechten Hand. In Indien und Arabien halten sich diese Traditionen bis heute nachhaltig.

Zwar übernahmen die Römer von den Griechen deren Ansichtsweisen bezüglich linker und rechter Seite, neigten einerseits allerdings dazu, linkshändige Sklaven, als eine Art von „beschädigter Ware“ zurückgeben zu wollen, sowie eine Preisreduzierung herbeiführen zu wollen.

Andererseits waren linkshändige Sklaven in damaligen Steinbrüchen sehr gefragt, da damals immer ein Zweiergespann bestehend aus Links- und Rechtshänder gemeinsam arbeitete, und somit beide gleichzeitig ausholen konnten, ohne sich gegenseitig zu behindern.³ Prägend in der Wahrnehmung beider Seiten waren besonders die Traditionen der Pythagoreer, die Links das Weibliche, das Böse und das Finstere sahen, und im Gegensatz dazu, Rechts das Männliche, das Gerade, das Aufrechte.

So stellt auch Platon auf der einen Seite fest, dass die Richter über Himmel und Erde die guten Seelen rechts nach oben in den Himmel und die bösen links nach unten in die Hölle schicken, und andererseits die ambitionierte These auf, dass es bei den unteren Gliedmaßen, wie bei den Füßen auch, keine Unterschiede in der Beweglichkeit gäbe, sowie der Mensch von Natur aus in der Lage sei, beide Hände in gleichem Umfang einzusetzen, da die Linkshändigkeit nur durch persönliche Angewohnheiten und Erziehungsfehler im Bereich der Versteifung auf eine Hand verursacht wurde.

¹ Vgl. Eder, Marion: „Pädagogische Aspekte der Linkshändigkeit“ / Diplomica / 2001/ S. 7
² Vgl. ebenda / S. 7
³ Vgl. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/linkshaender-33-erstaunliche-fakten/7248610.html,(9.07.2016, 17:02 Uhr)
Vgl. Wiborg, Jan Peter: „Das kleine Buch für Linkshänder“ / Verlag Wolfang Völker GmbH Höckers kleine Bibliothek / 1988 / S.14
Vgl. http://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lernen/linkshaender/index.html, (9.07.2016, 17:50 Uhr)

Angeregt durch Platons Theorie stellten zwei spanische Wissenschaftler, Heceaeu und Ajurraguera, basierend auf Platons Überzeugungen die „Theorie der manuellen Bevorzugung“ auf, welche sich in Folge der ausgeübten Kultur als praktisch erwiesen hatte und fortan dazu führte, dass der überwiegende Teil an Rechtshändern auf Praktikabilität, sowie das Versäumnis der gleichmäßigen Schulung beider Hände, zurückzuführen war.¹

Auch wenn Platon die einseitige Erziehung zur Rechtshändigkeit stets anprangerte, hatte sein Schüler Aristoteles andere Ansichten zum Thema, da dieser die Möglichkeit der Linkshändigkeit kategorisch ausschloss.²

Aristoteles‘ Lehre hatte jedoch, anders als die von Platon, eine entscheidende Auswirkung auf das Geistesleben des Mittelalters und auf die Kultur Mitteleuropas, in der Hinsicht, dass er das „Normale“ , also die Überlegenheit der rechten, stärkeren Hand, als Naturgegebenheit auffasste und dadurch eine negative Zukunftsperspektive für alle Linkshänder besiegelte.³

Dank Aristoteles‘ Lehren setzte sich die Entwicklung der Meinungen über die „unnatürliche Linkshändigkeit“ bis ins Mittelalter fort, und überlebte sogar noch im Zeitalter der Aufklärung. Nachzuweisen ist das durch die Meinung eines berühmten Aufklärers, der einst verlauten ließ: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“, Immanuel Kant.

Für ihn stand fest, dass die linke Seite auch durch Übungen nie die Kraft und Geschicklichkeit erlangen könnte, wie sie so kennzeichnend für die rechte Seite war.
Auch im weiteren Verlauf der Geschichte endete die Benachteiligung der linken Seite nicht im Geringsten.

Seit Beginn des Industrialisierungszeitalters wurden Linkshänder durch die einseitige und nur auf Rechtshänder ausgelegte Fertigung von Maschinen und Werkzeugen benachteiligt und durch die nicht auf eine linksseitige Benutzung ausgelegten Maschinen einem erheblich größeren Unfallrisiko als ihre rechtshändigen Kollegen ausgesetzt.

Später und mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht kam es immer wieder dazu, dass Kinder gezwungen wurden, von der linken auf die rechte Seite umzuschulen, ungeachtet von den meist menschenunwürdigen Bestrafungen, die folgten, wenn man nicht die „schöne Hand“ benutzte.

¹ Vgl. Wiborg, Jan Peter: „Das kleine Buch für Linkshänder“ / Verlag Wolfang Völker GmbH Höckers kleine Bibliothek / 1988 / S.23
² Vgl. Rett, Andreas; Kohlmann, Thaddäus; Strauch, Günter: „Linkshänder: Analyse einer Minderheit / Jugend und Volk Verlag Wien-München/ 1973/ S. 23. f
³ Vgl. Wiborg, Jan Peter: „Das kleine Buch für Linkshänder“ / Verlag Wolfang Völker GmbH Höckers kleine Bibliothek / 1988 / S.26
Vgl. ebenda, S.27
Vgl. Eder, Marion: „Pädagogische Aspekte der Linkshändigkeit“ / Diplomica / 2001/ S. 9

Auch die USA, die als „das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ weltweit bekannt sind, boten Linkshändern besonders am Ende des 18. Jahrhunderts durch die kirchlichen Schulen starke Einschränkungen bis hin zur Einführung einer Linkshändermeldepflicht in den USA.¹

Als mögliche Ursache dieser christlichen Einstellung könnte auch der Fakt sein, dass schon die Bibel lehrt, dass am Tag des Jüngsten Gerichts, wenn Gott über die Menschen richtet, die Guten rechts und die Bösen links sitzen werden, sowie Jesus am Kreuz meist nach rechts schaut, dorthin wo der nachsichtige der beiden Verräter hängt.²

Abschließend lässt sich sagen, dass Linkshändigkeit jahrhundertelang verteufelt wurde, mit Vorurteilen belegt war, eine Diskriminierung zuließ, sowie als Krankheit angesehen wurde.

Bis heute hat sich vieles zum Positiven gewendet, doch trotzdem ist es immer noch erschreckend, dass immerhin 2,1 Prozent unserer Umfragenteilnehmer Linkshändigkeit auch noch heute als Krankheit ansehen und 3,28 Prozent dieser Aussage eher zustimmen.³

¹ Vgl. Wiborg, Jan Peter: „Das kleine Buch für Linkshänder“ / Verlag Wolfang Völker GmbH Höckers kleine Bibliothek / 1988 / S.28
² http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/linkshaender-33-erstaunliche-fakten/7248610.html, (9.07.2016, 19:06 Uhr)
³ Siehe Anhang/ Umfrage Auswertung/ Punkt 6