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6.1 Definition der Umschulung der Händigkeit – (10/2016)

Im Wesentlichen bedeutet eine Umschulung der Händigkeit, das Schreibenlernen mit der nicht dominanten Hand. Vor allem das Schreiben ist ein Prozess, der mental sehr anspruchsvoll und feinmotorisch ist. Er erfordert die bildliche Vorstellung der Buchstaben, den Ablauf der Buchstabenfolge, die Gedankenkette und Erinnerungen sowie das Abrufen von Lerninhalten.

Normalerweise ist beim Schreiben bei Rechtshändern die linke und bei Linkshändern die rechte Gehirnhälfte aktiv. Geschieht der Prozess des Schreibens auf Dauer mit der nicht dominanten Hand, dann wird diese überfordert und folglich auch die zugehörige Gehirnhälfte.¹ Folgen, wie Schmerzen, treten auf und die Reaktion verlangsamt sich, da erst umgedacht werden muss. Außerdem entstehen Übertragungsschwierigkeiten zwischen den Gehirnhälften.

Es kommt zu psychischen Folgen durch die einseitige Belastung des Gehirns, denn die Gehirnhälfte, die die eigentliche dominante Hand steuert, wird unterfordert. Denn die Dominanz der Gehirnhälften ändert sich nicht.²

„In einer Untersuchung hat man die Hirntätigkeiten von umgeschulten und nicht umgeschulten Links- und Rechtshändern während des Schreibens untersucht. […] Interessant war […], dass bei den umgeschulten Linkshändern beide Hirnhälften aktiv waren. Das führt zu großer Unruhe im Gehirn. Es ist auch absolut nicht sinnvoll, denn eigentlich wird für das Schreiben in diesem Zusammenhang ja nur eine Seite gebraucht, alles andere ist eine Überbelastung.“³

Nicht ohne Grund wird dieser Vorgang der Umschulung im Amerikanischen auch „brain- breaking“ genannt. Was wörtlich, das Gehirn brechen, bedeutet. Tatsächlich bleibt das Phänomen nicht ohne Folgen, die jedoch von Person zu Person in Intensität und Art sehr unterschiedlich sein können. Sicher ist aber, dass in den allermeisten Fällen eine Umschulung der Händigkeit Folgen für das gesamte Leben mit sich bringt.

Wir haben eine Umfrage zum Thema Linkshändigkeit an über 2650 Teilnehmern durchgeführt. Sie ergab, dass etwa 32 Prozent Linkshänder sind und 10 Prozent umgeschulte Linkshänder. Fasst man das zusammen, so kann man erkennen, dass rund ein Viertel der Linkshänder umgeschult ist. Als Umschulung werden alle Prozesse bezeichnet, die zum Schreibenlernen mit der rechten Hand führen.

Diese Art der Umerziehung erfolgte in der Geschichte bei Linkshändern unter Zwang. Doch auch heute noch gibt es die Umschulung. Sie kann entweder unbewusst, vor allem bei Kindern durch Bezugspersonen, wie Eltern und Erzieher oder sogar von selbst durch Nachahmen von anderen passieren. In den meisten Fällen werden Linkshänder bereits im Kindergarten- und Grundschulalter umgeschult bzw. schulen sich selbst um.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Vorgang genauso auch andersherum geschehen kann. Rechtshänder also auf links umerzogen werden können, was jedoch bedeutend seltener der Fall ist. In dieser Arbeit wird aber hauptsächlich der Aspekt der Umschulung von links auf rechts im Vordergrund stehen.

Ursachen einer solchen Umschulung sind vor allem gesellschaftliche Vorurteile aufgrund von Tradition oder religiösen und gesellschaftlichen Hintergründen.

¹ Vgl. Sattler, Johanna Barbara: „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ / Auer Verlag GmbH Donauwörth / 2010 / S. 49
² Vgl. Neumann, Marina: „Natürlich mit Links . Zurück zur Linkshändigkeit – Befreiter leben mit der starken Hand“ / Ariston Verlag / 2014 / S. 22 ff.
³ Interview von Christiane Tovar: J.B.Sattler für Planet Wissen: Stand vom 08.03.2006 http://www.planet-wissen.de/ 13.08.2013
Siehe Anhang/ Umfrage Auswertung/ Punkt 3

Aber auch der Glaube, für das linkshändige Kind sei ein Leben als Rechtshänder praktischer, oder gar Unwissenheit sind Gründe für Umschulungen.¹
In einigen Fällen wissen Menschen gar nicht, dass sie umgeschulte Linkshänder sind. Möglicherweise auftretende Folgen nehmen sie nicht als solche wahr und schieben die Beschwerden anderen Ursachen zu.

Auch behandelnde Ärzte sehen nicht immer die dahintersteckende Umschulung der Händigkeit, die dem Patienten unmerklich Sorgen bereitet. Wer erkannt hat, dass er ein umgeschulter Linkshänder ist, der sollte sich Gedanken um eine sogenannte Rückschulung machen. Durch gezielte Übungen wird hierbei langsam wieder die dominante linke Hand für Schreiben und andere Tätigkeiten trainiert.

Da aber auch die Rückschulung einige Risiken birgt und nicht in jedem Fall erfolgreich sein kann, braucht es vorher eine genaue Überlegung über die Notwendigkeit. Hilfe erhalten umgeschulte Linkshänder bei einer Linkshänderberatungsstelle.

¹ Vgl. Sattler, Johanna Barbara: „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ / Auer Verlag GmbH Donauwörth / 2010 / S. 49