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7. Vorurteile und Akzeptanz in der Gegenwart – (10/2016)

Wir sind uns nun darüber im Klaren, wie fatal sich eine Umschulung auswirken kann und, dass es diverse Möglichkeiten gibt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder mit Gleichgesinnten in Austausch zu treten. Doch wie verhält es sich derzeitig mit der Akzeptanz gegenüber Linkshändern abseits von Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen? Existieren weiterhin Vorurteile zur Linkshändigkeit? Darauf wird anschließend näher eingegangen.

Gegenwärtig werden in der Gesellschaft nur geringe Bemühungen für die steigende Akzeptanz der Linkshänder bemerkbar. Deutlich erkennt man das an unserer Umfrage, bei der 49 Prozent der 2658 befragten deutschen Bürger der Meinung waren, dass kein Interesse am Thema Linkshändigkeit besteht.

Des Weiteren traf für etwa 79 Prozent zu, über zu wenig Wissen in diesem Gebiet zu verfügen, was als weitere Bestätigung dient¹. Begründet wird das durch „falsch verstandene Traditionen, fehlende physiologische Kenntnisse, pädagogisches Fehlverhalten und ein noch immer hohes Maß an Vorurteilen.“².

Noch heute kursieren in der Bevölkerung Vorurteile gegenüber Linkshändern. Oft werden diese unüberlegt weiterverbreitet, ohne sie kritisch zu hinterfragen.
Die Betroffenen sind sich selbst nicht in jeden Fall im Klaren, was von ihnen behauptet wird. In der Öffentlichkeit hält man sich mit dem Aussprechen von Vorurteilen eher zurück und behält seine Meinung vorzugsweise für sich, um Konflikten entgegenzuwirken beziehungsweise diese gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nichtsdestotrotz kann man Sätze, wie beispielsweise „Das ist die falsche Hand. Gib mir das schöne, gute, artige Händchen.“ hören. Solche Aussagen führen zum Teil zur umstrittenen Umschulung. Diese wird selten angesprochen, sodass vermutet wird, Linkshänder werden nicht mehr umgeschult.³

Besonders im Bereich der Motorik findet man Vorurteile. Dass Linkshänder langsamer schreiben, ist nur ein Beispiel. Folglich ist es nicht verwunderlich, als Linkshänder Sätze, wie „Dafür, dass Sie mit links schreiben, sieht das aber ganz gut aus“ zu hören.

Die Vorstellung, dass Linkshänder ihr Geschriebenes verwischen und ungeschickt sind, ist in vielen Köpfen verankert. Es wird nicht bedacht, dass oftmals ungeeignete, für Rechtshänder ausgelegte Werkzeuge das Problem darstellen. Immerhin verneinen circa 27 Prozent in unserer Umfrage nicht, dass Linkshänder Grobmotoriker sind.

Bei einer Einschulungsuntersuchung wird Linkshändigkeit dokumentiert, Rechtshändigkeit hingegen nicht. Es wird als Abweichung von einer scheinbaren Norm angesehen. So denken noch 56 der von uns Befragten, Linkshändigkeit ist eine Krankheit. Menschen mit dieser Meinung unterstützen demnach vermutlich die These, dass Linkshänder früher sterben. Doch auch das ist nur ein Vorurteil, da es wissenschaftlich widerlegt wurde. Die Vorurteile, Linkshänder seien intelligenter und kreativer, können nicht verallgemeinert werden und sind subjektiv zu betrachten.

¹ Siehe Anhang/ Umfrage Auswertung/ Punkt 5
² Meyer, Rolf W.: „Linkshändig? Rat & Information, Tips & Adressen“ / Verlagsgruppe Koch/Humboldt Höfen / 2002 / S. 111
³ Vgl. Bremer, Judith: „Einfach links schreiben: praktischer Ratgeber für Eltern, Lehrer und Erzieher“/ VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg/ 2010/ S. 30
Ebenda, S.31
Ebenda, S.29
Siehe Anhang/ Umfrage Auswertung/ Punkt 6
Vgl. Bremer, Judith: „Einfach links schreiben: praktischer Ratgeber für Eltern, Lehrer und Erzieher“/ VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg/ 2010/ S. 31

In unserem Fragebogen stimmten lediglich unter die Hälfte für eine erhöhte Intelligenz und Kreativität gegenüber Rechtshändern. Genauso verhält es sich bei der Behauptung, alle Linkshänder seien Genies¹.Zum wiederholten Mal wird eine Verallgemeinerung getroffen, die keinesfalls auf alle linkshändig veranlagten Menschen übertragbar ist.

Der Großteil der Gesellschaft verfügt alleinig über Halbwissen zum Thema der Lateralität. Denn derzeit wird noch keine ausreichende Aufklärung betrieben. Dazu kommt das mangelnde Interesse, welches nur langsam steigt. Beides ist jedoch enorm wichtig, da es sich positiv, speziell auf die jungen Generationen auswirken würde, die so weniger von Vorurteilen behaftet wären. Sind die Eltern nicht gut über Linkshändigkeit informiert, kann es den linkshändigen Kindern schaden, weil sie zu wenig bis gar nicht unterstützt werden. Sei es nur in Form von dem zur Verfügung stellen von Linkshänderprodukten.

Mit dem Wissen von diesen Produkten, steigt zunehmend die Nachfrage danach. Unglücklicherweise sind diese Waren in Deutschland nur bedingt griffbereit. Spezielle Fachgeschäfte sind aktuell vereinzelt aufzufinden (zum Beispiel in Erfurt). Anziehend wirken die außergewöhnlich scheinenden Läden und verursachen, dass man auf das Thema Linkshändigkeit aufmerksam wird. So denken unter anderem ebenfalls umgeschulte Linkshänder verstärkt nach und fassen infolgedessen eventuell den Entschluss sich rückschulen zu lassen.

Begegnet man heutzutage Linkshändern, gibt es ihnen gegenüber nur auf Grund ihrer Händigkeit keine Abneigung mehr. Sie werden zum Großteil akzeptiert, da das menschliche Verhältnis nicht von der Lateralität beeinflusst wird. Es spielt schließlich keine Rolle, ob man mit Links- und/oder Rechtshändern befreundet ist, da die inneren Werte Priorität haben. Außerdem lässt sich der Sport als weiteres Beispiel nutzen. Dort ist Fairness das oberste Gebot, das heißt, dass alle gleichberechtigt sind und niemand ausgegrenzt oder ungerecht behandelt wird – auch nicht wegen der Händigkeit.

Besonders im Jugendalter ist es wichtig, dass keine Differenzierung bezüglich der Akzeptanz unterschiedlicher Lateralität getroffen wird. Das persönliche Selbstbewusstsein würde anderenfalls negativ beeinflusst werden, was bis hin zu Komplexen der Selbstwahrnehmung führen kann, weil sich die Persönlichkeit weiter entwickelt und vom Umfeld geprägt wird. Unter Jugendlichen ist die Linkshändigkeit nur selten ein Gesprächsthema, da offener damit umgegangen und es als völlig normal hingenommen wird.

Konflikte diesbezüglich bestehen vorrangig generationsübergreifend, weil betagtere Menschen meist die negativ ausgerichteten Ansichten gegenüber Linkshändern aus der Vorwendezeit vermittelt bekommen haben und sie somit vertreten. Im Alter fehlt bedauerlicherweise die Bereitschaft, neue Erkenntnisse zu akzeptieren und zu verinnerlichen.

¹ Vgl. Bremer, Judith: „Einfach links schreiben: praktischer Ratgeber für Eltern, Lehrer und Erzieher“/ VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg/ 2010/ S. 27

Überwunden werden muss in der Gegenwart und in der Zukunft das Kleinhalten der Thematisierung der Linkshändigkeit. Auf diese Weise könnte die Bevölkerung ausreichend informiert sein und die existierenden Vorurteile nach und nach richtiggestellt werden.