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4.1 Primärfolgen – (10/2014)

Die Folgen einer bewussten oder unbewussten Händigkeitsumschulung sind sehr komplex und nicht selten ergibt sich eine Folge aus einer anderen. Beim genetischen Linkshänder ist das linke Auge meist das Leitauge. Bei Verwendung der rechten Hand durch eine Händigkeitsumschulung muss nun aber das rechte Auge die Führung übernehmen, damit eine ständige Augen-Hand-Koordination gewährleistet ist. Da der Kopf hierfür nach rechts geneigt werden muss, kommt es in der Folge teils zur Angewöhnung einer falschen Oberkörper- und Kopfhaltung,was zum Schielen führen kann. /5/

Bei einer nicht gelebten Linkshändigkeit kommt es über Jahrzehnte hinweg zur Ausführung unphysiologischer Bewegungsabläufe. Die Verwendung der rechten Hand führt wie schon erwähnt zur Verwendung des rechten Auges als Pseudoleitauge. Die daraus resultierende falsche Oberkörper- und Kopfhaltung bewirkt eine verkrampfte Hand- und Fingerhaltung beim Schreiben, wodurch in der Folge Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und Gleichgewichtsstörungen hervorgerufen werden können.

Ebenso wird das Standbein, welches beim Linkshänder meist ursprünglich das rechte Bein ist, durch eine Umschulung oft auf das linke Bein verlagert. Die Folgen seien laut Hanns von Rolbeck typischerweise Fußfehlstellungen, Knie- und Hüftgelenkschmerzen, Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und des Nackens, Veränderungen am Kopf und Fehlfunktionen des Kauapparates sowie Schmerzender rechten Schulter und Hand. /5/

Feinmotorische Störungen sind weitere häufige Folgen der Umschulung. Laut Sattler käme es hierbei nicht selten zum Umstoßen von Gegenständen durch unkontrollierte Bewegungen. Diese feinmotorischen Störungen zeigen sich auch im Schriftbild, welches häufig sehr unsauber und unleserlich ist. Da der Stift von umgeschulten Personen meist falsch gehalten, nicht selten in Hakenhaltung geschrieben und verdreht am Arbeitsplatz gesessen wird, kommt es zum schnellen Ermüden der Hand- und Armmuskulatur.

In der Folge ergeben sich daraus meist Schmerzen in verschiedensten Bereichen des Körpers. /6/, /10/ Zusätzlich zu diesen Problemen ergeben sich durch eine Umschulung häufig mehr oder weniger stark ausgeprägte Lern- und Konzentrationsstörungen. Für umgeschulte Linkshänder ist die Aufnahme und das Behalten von Lernstoff schwieriger. Nicht selten benötigen sie mehr Zeit zum Bearbeiten von Aufgaben. Außerdem kann es beim Abrufen von Lerninhalten zu unerwarteten Gedächtnisstörungen oder einem plötzlichen Gedächtnisausfall kommen.

Der zuvor erlernte Stoff ist dann wie ausgelöscht. Ein umgeschultes Kind erschrickt nicht selten darüber, es gerät in Panik und stammelt, da es selbst nicht begreift,warum es das zuvor so hart erarbeitete Wissen nicht abrufen kann. Hier ist auch der Entwicklungsbeginn der Sekundärfolgen zu finden, auf welche im folgenden Gliederungspunkt näher eingegangen wird.

Der Denkprozess und die Intelligenz eines umgeschulten Kindes sind meist durch eine Umschulung nicht gestört, jedoch das Erinnerungsvermögen bzw. die adäquate Reproduktionsfähigkeit von Gedanken. So zeigt ein umgeschultes Kind meist schlechte schriftliche Schulleistungen. Die Äußerungen sind hier mangelhaft und unpräzise. Hingegen zeigen sich oft plötzlich unerwartet gute Leistungen im mündlichen Bereich. Viele Lehrer und Eltern sind am Schuljahresende über den Leistungseinbruch des Kindes erstaunt, welcher bei umgeschulten Linkshändern häufig zu beobachten ist.

So zeigen sich am Schuljahresbeginn gute Leistungen, die das Kind jedoch auf Grund eines ständig erhöhten Energieaufwandes zur Bewältigung seiner Tätigkeiten nicht halten kann, denn ein umgeschulter Linkshänder benötigt jeden Tag drei bis zehn Mal so viel Energie, um die Herausforderungen des Alltags zu meistern.

Durch diesen ständig erhöhten Energiebedarf sinkt die Leitungskurve oft rapide mit dem Schuljahresverlauf, da nach einiger Zeit die Kraft fehlt, diesen zusätzlichen Bedarf ständig auszugleichen. Die persönliche Grundsuche des Kindes kann zu irrationalen Ängsten und Versagensgefühlen führen, welche den Leistungseinbruch häufig zusätzlich verstärken. /4/

Konzentrationsstörungen, besonders im Unterricht, sind ebenfalls häufige Folgen einer Umschulung. So haben umgeschulte Kinder auf Grund des erhöhten Energieaufwandes kürzere Konzentrationsphasen und Schwierigkeiten beim Mithalten im Unterricht. Reißt ihr Konzentrationsfaden einmal ab, beginnen sie zu träumen. Am Ende einer solchen Traumphase ist es schwer, sich wieder in den Unterricht einzufinden. Auf diese Weise entstehen Lücken beim Lernen und im Stoff, der verträumt wurde.

Umgeschulte Kinder können zudem Unruhe und Bewegungsdränge entwickeln und stören dadurch teilweise gezielt den Unterricht./6/ Häufig äußern sich beim umgeschulten Kind zusätzlich Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Genetische Linkshänder, ob umgeschult oder nicht, müssen die Blickrichtung von links nach rechts erst trainieren, da ihre ursprüngliche Blickrichtung von rechts nach links verläuft. Lese- und Schreibrichtung von rechts nach links, sowie Spiegelung von Buchstaben und Zahlen haben somit noch nicht zwingend etwas mit Legasthenie oder Dyskalkulie¹ zu tun, sie sind linkshändertypisch.

¹ Störung mit Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten

Frank Steinkopf betont jedoch: „Eine Hauptursache für Legasthenie und Dyskalkulie ist Umschulung der Händigkeit.“ (/10/S.139) Aktive Linkshänder übenwinden diese Schwierigkeiten beim Schreiben von Buchstaben und Zahlen meist bis zum Ende der ersten Klasse. Umgeschulten Linkshändern fällt dies jedoch schwerer, da sie durch weitere Herausforderungen  (z.B. Konzentrationsstörungen) zusätzlich belastet sind.

In der Folge kann die  Entstehung einer echten Lese-Rechtschreibschwäche begünstigt werden. Diese Lese-Rechtschreibschwäche äußert sich dann in fortlaufenden Buchstaben- und Zahlenverdrehern beim Schreiben und Lesen (weit über die erste Klasse hinaus), Flüchtigkeitsfehlern in Diktaten und holprigem, ungenauem Lesen mit anschließenden starken Ermüdungserscheinungen. /10/

Sprachstörungen, als weitere Folge einer Händigkeitsumschulung, äußern sich bei einigen umgeschulten Linkshändern in anfänglichem Stottern, welches sich im Laufe der Zeit jedoch meist verliert. Neurophysiologisches¹, echtes Stottern hängt nicht mit Umschulung der Händigkeit zusammen, kann durch diese jedoch verstärkt werden. Bei umgeschulten Linkshändern kann oft bis ins Erwachsenenalter beobachtet werden, dass einzelne Wörter ausgesprochen werden, ohne diese zu beenden.

¹ Teilgebiet der Physiologie, die sich mit der Tätigkeit des Nervensystems befasst

Es kommt somit zum Verschlucken von Wortteilen. Eine letzte, sehr häufig auftretende Primärfolge der Umschulung ist die Links-Rechts-Unsicherheit. Hierbei kommt es zur ständigen Richtungsverwechslung von rechts und links, was besonders zu Problemen beim Erlernen des Autofahrens und dem Fahren selbst führen kann. /6/