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2.2 Historischer Überblick – (10/2014)

Zur Zeit der frühen Menschheitsgeschichte gab es weitaus mehr Linkshänder als in unserer heutigen Zeit. Altertumsforschern und Archäologen zufolge war das damalige Verhältnis zwischen Links- und Rechtshändern weitaus gleichmäßigverteilt. Bewiesen werden konnte dies anhand von Höhlenmalereien, in denen sowohl rechtshändige als auch linkshändige Schützen und Speerwerfer zu finden sind.

Weitere archäologische Funde, wie Faustkeile, Speere und andere prähistorische Werkzeuge, waren der Verteilung von Links- und Rechtshändern entsprechend unterschiedlich geformt und abgenutzt. /4/, /16/
Zu Beginn der Bronzezeit veränderte sich die Gleichverteilung jedoch zugunsten der Rechtshänder. Fritz Sarazin, ein Schweizer Naturforscher, wies dies anhand von damals verwendeten Werkzeugen nach.

Erst das Erfinden von Waffen machte eine fixierte Arbeitsteilung der Hände notwendig, wodurch die Bewertung von links und rechts zugunsten der rechten Seite eintrat. /4/, /17/
Platon glaubte, die rechte Seite unterscheide sich nicht von der linken und eine einseitige Erziehung zur Rechtshändigkeit sei anzuzweifeln. Optimal sei stattdessen eine gleichmäßige Schulung beider Seiten.

Im Gegensatz zu Platon war dessen Schüler Aristoteles der Auffassung, dass die Überlegenheit der rechten Hand von Natur aus gegeben sei. Er schloss die Erziehung als mögliche Ursache für Rechtshändigkeit aus und folglich jede Form der Linkshändigkeit. Mit dieser Meinung bezüglich der Händigkeit beeinflusste Aristoteles die Kultur Europas enorm. Im europäischen Raum verstärkte der Feudalismus des Mittelalters die Bevorzugung der rechten Seite.

Dies spiegelte sich beispielsweise in der Sitzordnung der Könige und ihren Untertanen wieder, wobei sich die Günstlinge zur Rechten des Königs, die Bastarde und deren Söhne zur Linken des Königs befanden. So war auch die Bekreuzigung mit links ein Beweis für die Ketzerei einer Hexe. Allgemein galt die Linkshändigkeit im Mittelalter als etwas Teuflisches, wobei der Teufel selbst linkshändig war. Sein markantestes Merkmal war das Geigenspiel mit der linken Hand (siehe Anhang Abb. 1). Gebrauchte man also die linke Hand, so wurde man auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Linkshändigkeit galt mehrere Jahrhunderte lang als etwas Unnatürliches, Teuflisches oder als Krankheit. Man glaubte, die rechte Hand sei von Natur aus der linken überlegen. Rechts wurde fast überall mit Kraft, Tapferkeit, Reinheit, Macht und Leben assoziiert. Dagegen wurden mit der linken Seite Feigheit, Unreinheit, Ohnmacht und Tod in Verbindung gebracht.

Eine bis heute anhaltende Form der Benachteiligung für Linkshänder entstand zu Beginn der Industrialisierung, da Maschinen viel eher auf die Benutzung eines Rechtshänders ausgelegt waren. Dies hat aufgrund des nicht vorgesehenen linkshändigen Gebrauchs ein erhöhtes Unfallrisiko für Linkshänder zur Folge. /18/

Des Weiteren trug die Einführung der allgemeinen Schulpflicht dazu bei, dass Linkshänder in vielen Bereichen dazu gezwungen waren, sich dem Händigkeitsmuster der Mehrheit anzupassen. Durch Umschulung wurden und werden Kinder durch Lehrer und Venwandte zum Teil noch immer dazu gebracht, mit rechts zu schreiben und zu arbeiten. In zahlreichen Fällen erfolgte dies drastisch, wie zum Beispiel durch Schlagen, Umwickeln oder Festbinden der linken Hand.

Eine weitere extreme Maßnahme war das Eingipsen der linken Hand durch einen Arzt. Unter den massiven Auswirkungen einer solchen Umschulungleiden noch heute viele Linkshänder. /16/
Heinrich Himmler und Adolf Hitler sollen sogar Entwürfe ausgearbeitet haben, mit denen die links veranlagte Bevölkerungsgruppe dezimiert werden sollte. Mit Linkshändern soll eine Anzahl fragwürdiger wissenschaftlicher Experimente durchgeführt worden sein.

Himmler gab 1935 die Studie „Zusammenhang zwischen Linkshändigkeit einerseits und geistiger Verfassung der Homosexuellen andererseits“ in Auftrag, um sowohl Linkshänder als auch Schwule als „krankes Gesindel“ darzustellen. /7/ (siehe Anhang Abb. 2)

Die eigenartig untergeordnete bis negative Rolle der Linkshänder wird beim Betrachten folgender Zitate verdeutlicht: Cesare Lombroso, ital. Kriminologe, 19. Jh.: „Linkshändigkeit ist ein Merkmal der Degeneration.“ (/8/S.5), Sir Cyril Burt, englischer Kinderpsychologe, 20. Jh.: „Sie (linkshändige Kinder, Anm. der  Verfasserin) schielen, sie stottern, sie schlurfen und taumeln, sie watscheln wie Robben auf dem Land.

Sie sind linkisch im Haus und ungeschickt in ihren Spielen, Tölpel und Pfuscher auf der ganzen Linie.“ – [Linkshändige Mädchen …] „besitzen häufig eine starke, eigensinnige, und beinahe männliche Veranlagung: anhand vieler kleiner verräterischer Symptome, neben der ungeschickten Führung ihrer Hände – durch ihre lässige Kleidung, ihren ungraziösen Gang, ihre jungenhaften Eigenarten und Eigenheiten – demonstrieren sie wortlos eine persönliche Verachtung des Gesetzes der weiblichen Anmut und Eleganz.“ (/8/S.5),

Abram Blau, amerikanischer Psychoanalytiker, 20. Jh.: „Linkshändigkeit wird verursacht durch ein angeborenes Gebrechen, durch falsche Erziehung oder emotionalen Negativismus.“ – Linkshändigkeit ist vergleichbar mit Widerspenstigkeit beim Essen oder der Verdauung, Zurückbleiben in der Sprachentwicklung und allgemeinen Perversionen, sofern ein Kind mit seinen begrenzten Ausdrucksmitteln sie zeigen kann.“ –

„Linkshändigkeit Ist nicht nur … ein neurotisches Symptom sondern auch … eines der Zeichen einer infantilen Psychoneurose.“ (/8/S.5) Die heutige Aufteilung eines Parlaments, sodass sich links vom Parlamentspräsidenten die progressiven und rechts die konservativen bzw. „rechten“ Parteien befinden, ist eine mögliche Erklärung dafür, dass die rechte Seite die ursprüngliche Seite widerspiegelt und die linke etwas Neues oder Verdächtiges.

In Paris befanden sich bereits 1791 in der Assemblee nationale legislative, also der gesetzgebenden Nationalversammlung, die Republikaner auf der linken und Anhänger der konstitutionellen Monarchie auf der rechten Seite. „Diese Aufteilung der politischen Parteien hat den Linkshändern wiederum einen negativen Touch gegeben.“, schreibt Sattler. (/16/S.64), /7/

Die ungleiche Wahrnehmung von rechts und links findet sich auf der gesamten Welt wieder. Dies kann anhand der folgenden kulturellen und traditionellen Beispiele verdeutlicht werden: Während den Frauen der Beduinen nur die linkeSeite neben den Zelten zum Sitzen zusteht, sitzen ihre Männer auf der höherbewerteten rechten Seite. Nordamerikanische Indianerstämme verbinden dierechte Seite mit Tapferkeit, die linke hingegen mit Feigheit und Ohnmacht.

Auch die Maori In Neuseeland bevorzugen rechts als die Seite des Lebens und der  Kraft. Links gilt als die Seite der Schwäche und des Todes. Hindus reinigen ihre „unreinen“ Körperteile unterhalb des Bauchnabels nur mit der linken Hand, die oberen Körperteile mit der rechten. In Ägypten werden der rechten Seite Bedeutungen wie Tag und Leben zugesprochen, während die linke Seite für das Gegenteil, Nacht und Tod, steht.

Dennoch wird nicht überall zwischen der rechten und linken Seite differenziert. Hierzu zählen einige der alten amerikanischen Hochkulturen wie die Azteken, Inkas oder Mayas. Ohne eine bestimmte Seite abzuwerten treten Hände und Füße stets paanweise auf. Auch im alten China und in Indonesien werden links und rechts die gleiche Bedeutung zugesprochen. /11/

Überdies gibt es kleine Bevölkerungsgruppen, die sich lediglich an den Himmelsrichtungen orientieren. Hierzu zählen unter anderem die UreinwohnerAustraliens, Mexikos, Südafrikas, Südindiens und Ozeaniens. /16/