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1 Die Händigkeit und das menschliche Gehirn – (10/2003)

Heutzutage gibt es die verschiedensten Theorien über das Zustandekommen der Händigkeit. In der älteren Literatur war man der Ansicht, dass „das bessere Funktionieren der rechten Hand… auf das bessere Funktionieren der linken Gehirnhemisphäre“ zurückzuführen sei. Den Begriff Dominanz bezog man einstens auf die Höherwertigkeit der gesamten Hirnhälfte und leitete die Dominanz aus einer Hemisphäre ab. Gramm bezeichnet dies auch als „Rechts-“ beziehungsweise „Linkshirnigkeit“.

Die jüngere Literatur versteht unter „cerebraler Dominanz“ die Überlegenheit einer Gehirn- hälfte hinsichtlich bestimmter Funktionen (zum Beispiel Sprachdominanz). Definitionen, wie Gehirnlateralisation, hemisphärische Spezialisation und funktionelle Asymmetrie sind in der amerikanischen Literatur hauptsächlich als Synonyme zu betrachten. Die Händigkeit hält man ebenso für eine funktionelle Lateralisation. Doch stellte sich heraus, dass es auch in der Gruppe der Linkshänder weitere Untergruppen gibt, die sich wahrscheinlich durch ihre ver- schiedenen Lateralisationsvarianten und -grade unterscheiden. Bei dem Phänomen der Seitigkeit handelt es sich nicht um mehr oder weniger rein gehirninterne Verarbeitungs- und Funktionsarten, sondern vielmehr um die Verarbeitung von sensorischen und motorischen Prozessen – ein Tätigkeitsfeld, welches den ganzen Körper betrifft.

Manche Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass das Sexualhormon Testosteron der „wahre Linksmacher“ sei. Diese Meinung teilen beispielsweise auch Geschwind und Behan; sie erklären: Testosteron kommt vor der Geburt des Kindes im männlichen Fötus in großen, im weiblichen Fötus nur in kleinen Mengen vor und soll angeblich außer den Sexualmerkmalen auch die Entwicklung des Gehirns steuern. Große Mengen dieses Hormons können das Wachstum der linken Hemisphäre so beeinflussen, dass dieses verzögert wird und aufgrund dessen ist auch die rechte Körperseite motorisch benachteiligt. Außerdem solle Testosteron die körpereigene Abwehr verändern, indem es die Größe der Thymusdrüse, welche entschei- dend am Aufbau des Immunsystems beteiligt ist, verringert.

Aus diesem Grunde sollen Linkshänder auch gegenüber Krebszellen widerstandsfähiger sein als die Menschen, die eine Dominanz der rechten Hand bevorzugen.

Der Facharzt für Säuglings- und Kindesalter, Professor Dr. med. B. Leiber hat dazu eine eher bissige Auffassung. Er bezeichnet dessen gesamte Hypothese als „Aprilscherz“, als absoluten Nonsens. Schon in der Anfangsstufe soll diese konstruierte mehrstufige Theorie und alles, was auf ihr aufbaut, von unrichtigen Aussagen geprägt sein. Die Autoren ignorieren hier die allseits anerkannte, allgemeine Tatsache, dass Androgene während der Fetalzeit bei weibli- chen sowie männlichen Geschlechtern in gleicher Menge vorhanden sind und als Androgene nicht mehr zur Wirkung kommen können. Diese abenteuerliche Testosteronhypothese von Geschwind und Behan, nach denen auch die beiden Hirnhemisphären und ihre neuronale Reifung durch das Hormon seitenunterschiedlich gelenkt würden, sollte man also nach Professor Dr. med. B. Leiber so schnell wie möglich wieder vergessen, denn diese wäre, wie er meint, ganz unhaltbar.