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3.2 Vorurteile und Mythen – (09/2023)

Die linke und rechte Seite haben in der Tradition von vielen Völkern und auch in vielen Religionen die gleiche Wertung. Die rechte Seite ist die des Glückes, der Tugend und der Seligkeit. Die linke hingegen ist die, in welcher man einen leichteren und schnelleren Weg zur Hölle hat.1 Die Bewertung der Seiten und die Beurteilung ist sehr eng mit der Kultur der Menschen und ihre Geschichte verbunden.2Je nach Kultur ist die Ansicht anders. Im Alten Testament wird zum Beispiel keine klare Bewertung oder Abwertung der linken und rechten Seite erwähnt. Die rechte Seite wurde als die etwas bevorzugte und mehrwertige Seite bezeichnet. Die linke Seite wurde weder benachteiligt noch abgewertet, ganz im Gegenteil. Die linke Seite soll außerordentliche Fähigkeiten besitzen, besonders im kriegerischen Sinne.3 Wer also ein Krieger war und dazu noch Linkshänder hatte besonders gute Chancen im Krieg entweder nicht verletzt zu sein oder viele Feinde zu erschlagen. Die Erwähnung von der positiven linken Seite ist aber nicht nur im Zusammenhang mit dem kriegerischen Talent aufzufinden, auch bei der Geschichte von Ehud findet man den positiven Überraschungseffekt, welchen die Linkshändigkeit von Ehud hervorruft. Somit konnte dieser nämlich seinen Feind erstechen, indem er den Dolch mit der linken Hand

führte.4 Die Anwendung der linken Hand war also überraschend und eher unüblich im Alten Testament. Die heute bekannte Bewertung der Seiten kam erst mit der christlichen Liturgie, welche durch die griechisch-römischen Kultur beeinflusst wurden. Diese besagt, dass Rechts die Seite des Glückes ist und Links die Seite des Unglückes.5Wenn jemand demnach mit links irgendetwas unternahm, zum Beispiel einen Brief mit links schrieb, hatte Unglück für den Rest seines Lebens. Deswegen wurden Linkshänder ausgeschlossen oder sogar verscheucht. Eine noch klarere und extremere Trennung unternahmen die Pythagoreer und die Orphiker. Im orphischen Jenseits ist das Selige rechts und das Unglück Links. Wer in den Himmel wollte sollte also lieber nach rechts gehen. Die pythagoreische Tradition hingegen schloss noch die Geschlechterrollen mit ein. Nun ist die rechte Seite männlich, gut und das „Rechte“. Die linke Seite sei weiblich, finster, böse und das „linke“.6In einer Kirche müssen also die Männer auf der rechten Seite sitzen und beten und die Frauen auf der linken Seite. Diese Seitenaufteilung ist auch erkennbar in der Kreuzigungsdarstellung im Christentum. Von Christus Seite aus rechts sind die positiven Wesen des Christentums dargestellt und auf der linken Seite die weniger wertgeschätzten negativen Wesen. Auch bei der Darstellung von dem jüngsten Gerichtes ist rechts das Paradies, wo sich alle Seligen treffen und links die Hölle, welche oft mit Abbildungen, die den Gläubigen der Religion Angst bereiten sollen.7 Die linke Seite symbolisiert in vielen Sprichwörtern das Unvollkommene, Unzureichende, Unzufriedenstellende und Missgelauntheit.8 Auch in Wortbedeutung und Redewendungen ist Links abwertend und negativ während rechts eine aufwertende Bedeutung hat.9 Der Alltag in welchem man mit der rechten Hand grüßt, geht auf das Mittelalter zurück, wo diese Geste als Friedensagebot angesehen wurde. Man sagte mit der leeren rechten Hand, der Waffenhand, dass man ohne jeglichen bösen Hintergrundgedanken gekommen ist. Diese Art von Begrüßung setzte sich bis heute durch und somit wird die rechte Hand als Grußhand genutzt.10 Auch bei Erkrankungen spielte die linke Seite einen negativen Aspekt. Wenn man erkrankt ist sollte man, so glaubten es die Menschen, sich ein linkes Körperteil mit einem Faden umbinden. Nach einer gewissen Anzahl an Tagen soll man diesen Faden noch vor Sonnenaufgang abbinden und um einen bestimmten

Strauch binden, welcher Strauch und wie viele Tage, hängt hier von der Erkrankung ab.11 Diese verschiedenen Beurteilungen und Mythen der linken und rechten Seite hat sich noch bis heute bei vielen Menschen eingeprägt. Selbst in der Nationalversammlung der NS-Zeit sieht man diese Aufteilung von der guten, rechten Seite und der bösen, linken Seite. Aus der Sicht des Parlamentspräsidenten sind rechts die Unterstützer und links die Republikaner. Die Sitzverteilung der Parteien im Parlament ist auch hier wieder so aufgeteilt, dass rechts die konservativen, „rechten“ Parteien sitzen und links die als revolutionär geltenden, Traditionen brechenden, häufig progressiven, verdächtigen, „linken“ Parteien sitzen. Dieses ganze rechts ist Gut und links sei Böse, gibt dem Linkshänder, welcher alles mit seiner linken Hand tut, keine Möglichkeit, sich zu wehren denn er tue doch alles mit der bösen Hand und sei somit selber kein guter Mensch.

  1. Vgl.  Der umgeschulte Linkshänder.J.B.Sattler.2013.S.118 ↩︎
  2. Vgl. Linkshändig?.R.W.Meyer.2002.S.14 ↩︎
  3. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S.117.Z.7-9 ↩︎
  4. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S.117.Z.13-19 ↩︎
  5. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S.118 ↩︎
  6. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S.118 ↩︎
  7. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S.120-123 ↩︎
  8. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder. J. P. Wiborg.1988.S. 61 ↩︎
  9. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S. 124 ↩︎
  10. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder.1988. S. 15 ↩︎
  11. Vgl. Linkshänder. Geschichte, Geschick und Begabung.S.37-38 ↩︎