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3.3 Das Umschulen von Linkshändern – (09/2023)

Das vor allem vor der Wende in Deutschland Linkshänder umgeschult wurden, wurde bereits in unserer Umfrage des Linkshänderladens Erfurt thematisiert.1 Dieser Eingriff wird von Forschern schon seit Jahrzehnten als der „bedeutendste unblutige Eingriff in das Gehirn des Menschen“ bezeichnet.2 Der umgeschulte Linkshänder muss durch diese Umstellung 30% seiner Nervenkraft aufwenden, um das Schreiben in den Griff zu bekommen.3 Während also ein Mensch ohne jegliche Umschulung einen Brief schreibt und sich nur wenige Gedanken macht, wie er denn den Stift zu halten hat, muss der umgeschulte Linkshänder sich erst Gedanken machen, ob es denn jetzt mit der Stiftspitze nach links oder nach rechts, geht um den Buchstaben zu schreiben. Das Umschulen ist vor allem durch den damals sehr verbreiteten christlichen Glauben entstanden, wie man in Kapitel 3 Abschnitt 3.2 dieser Arbeit nachlesen kann. Die Methoden zur Umschulung gingen in viele Richtungen. Zum einen gibt es das physische Umerziehen, bei dem man die linke Hand des Linkshänders entweder auf den Rücken bindet4 oder sie sogar von einem Arzt eingipsen lässt.5 Auch kam Gewalt ins Spiel, wo die Linkshändigkeit aus dem Mensch „rausgeprügelt“ wird.6 Das durch

diese Methoden negative Erinnerung entstehen ist, bestätigten 59% der bei uns befragten Linkshänder.7 Es wurde nicht nur physisch sondern auch psychisch auf die Linkshänder eingewirkt. Durch das ständige Auffordern, doch das „schöne Händchen“ zu nutzen, wurde ihnen von Anfang an gesagt, dass sie die falsche Hand benutzen und einen Fehler machen, wenn sie mit links schreiben.8 Auch wird dieses „Fehlverhalten“ mit Schimpfen, Bestrafung, Liebesentzug, Entzug von Spielsachen und vielem mehr „behandelt“. Unmoralische Überredenskünste und manipulierende Belohnungskünste sind hier nicht ausgeschlossen.9 Viele umgeschulte Linkshänder haben sich selbst dazu gebracht. Sie passten sich als Kind an die rechtshändige Gesellschaft an, indem sie ihre rechtshändigen Freunde nachahmten.10 Als umgeschulter Linkshänder musste man vieles über sich ergehen lassen, in der Schule wurde das Heft zerrissen und das erarbeitete musste noch einmal neu erarbeitet werden, nur dieses Mal mit der „richtigen“ Hand.11 Lehrer haben Mitschülern aufgefordert, den Linkshänder zu beobachten und zu melden, wenn dieser mit der falsche Hand schreibt.12 Somit wurde dieses Bild, das mit links schreiben falsch ist, den Schülern weiter gegeben. Das Umschulen des Kindes wurde von den Eltern bereits vor der Schuleinführung unterstütz. Sie kümmern sich schon im Vorschulalter darum, dass das Kind mit rechts schreibt und nicht später zu einem Linkshänder wird.13 Solch eine Umschulung kann für den Linkshänder schwerwiegende Folgen für dessen späteres Leben haben. Oft vorkommende Auswirkungen sind zeitweiliges Stottern, eine Links-Rechts-Schwäche und manchmal Bettnässen.14 Bei ihnen passieren mehr Flüchtigkeitsfehler bei Schulaufgaben als bei den anderen Schülern.15 Solche oft passierenden Fehler und andere Auswirkungen geben dem umgeschulten Linkshänder das Gefühl des Versagens, was sich zu einem Minderwertigkeitskomplex entwickeln kann.16 Die Eltern und Lehrer des Linkshänders werden selber mit dieser Situation überfordert sein. Lehrer hatten im 20. Jahrhundert ein fehlendes Fachwissen darüber und konnten somit nicht viel mit dem Linkshänder anfangen.17 Eltern kommen nur schwer mit den Auswirkungen der Umschulung zurecht und ordnen somit

unterbewusst das Kind als dümmeres und unbegabteres Kind ein.18 Die betroffenen Schüler bleiben oft im Schuljahr sitzen oder brechen die Schule ab, da sie an ihrer eigenen Intelligenz und ihre Mitmenschen an ihnen zweifeln.19 Ihre schulische Leistung entsprich somit oft nicht ihren tatsächlichen Fähigkeiten. Ihr Selbstwertgefühl leidet daruntr, bis sie schließlich am Ende selber glauben, dass sie nichts schaffen und zu nichts in ihrem Leben kommen. Solch ein Minderwertigkeitskomplex kann zu extremem Nägelkauen führen und bestimmte negative Persönlichkeitseigenschaften hervorrufen.20 Die meist auftretenden Eigenschaften sind die Ja-Aber-Haltung und das Nicht-Ausreden-Lassen. Bei der Ja-Aber-Haltung hat der umgeschulte Linkshänder den ständigen Drang zu widersprechen und dem Gesprächspartner beizubringen, dass es noch viele andere Aspekte eines Themas gibt als nur dieses eine.21 Sie haben Angst, dass sie wie bereits durch ihre Umschulung erlebt, beiseitegeschoben werden. Sie verschaffen sich mehr Zeit, um zu antworten und um später nicht zu bereuen, dass sie ein bestimmtes Argument nicht sagen konnten, weil es ihnen nicht eingefallen ist.22 Sie irritieren damit ihren Gesprächspartner und machen sich bei ihm nicht beliebt, obwohl dieses ständige Widersprechen für den umgeschulten Linkshänder eine sinnvolle Funktion erfüllt. Es ist dennoch in vielen Situationen eine negative Angewohnheit. Der umgeschulte Linkshänder besitzt ein assoziatives Denken, denkt somit stichwortorientiert und verliert deshalb schnell den Faden. Der Gesprächspartner sieht diesen dann als Spielverderber an, da dieser schnell aus einer kleinen Diskussion über ein jeweiliges Thema eine hitzige Debatte machte.23 Eine andere unbeliebte Eigenschaft ist das Nicht-Ausreden-Lassen. Das bereits erwähnte assoziative Denken führt dazu, dass der umgeschulte Linkshänder seinen Gedanken, den er gerade passend zum Thema im Kopf hat, nicht vergessen und so schnell wie möglich in das Gespräch mit einbringen will. Auch hiermit sprengt er das Gespräch und macht sich bei seinen Gesprächspartner unbeliebt.24 Diese Art von denken verleiht den umgeschulten Linkshänder dazu „ungepflegte“ Gedanken zu besitzen, was bedeutet, dass er nicht sortiert, ob der Gedanke beziehungsweise der Beitrag wichtig oder relevant ist oder ob es nur ein nutzloser Beigedanke ist.25 Solch eine Überanstrengung

führt bei dem umgeschulten Linkshänder zu Zusammenbrüchen und Panik in dessen Gehirn.26 Der Linkshänder fühlt sich unfair behandelt und hat Schwierigkeiten, eine soziale Beziehung in der Gesellschaft aufzubauen. Er fühlt sich als ein Opfer der „nicht rational begründbaren Chancenungleichheit“27, was oft von den selber umgeschulten Eltern vererbt wurde. Das Umschulen wurde bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts als nicht mehr üblich angesehen und nur noch im privaten von Familienmitgliedern durchgeführt.28 Heute liegt es ganz an der Familie, ob das Kind jetzt umgeschult wird oder nicht. Wenn es mit Gewalt umgeschult wird, hat die Schule die Erlaubnis und Pflicht, dies zu melden, da es unter Häusliche Gewalt zählt und strafbar ist.

  1. Vgl. Die Gesellschaft. Auswertung der Umfragen. Linkshänderladen Erfurt. ↩︎
  2. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder.J.P.Wiborg.1988.S. 6 ↩︎
  3. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder.1988.S. 6 ↩︎
  4. Vgl. Das kleine Büch für Linkshänder.1988.S. 75 ↩︎
  5. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013.S.52 ↩︎
  6. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013.S 52 ↩︎
  7. Vgl. Anhang. Umfrage. Linkshänderladen Erfurt. Frage 6 ↩︎
  8. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder.1988. S. 74 ↩︎
  9. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 52 ↩︎
  10. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder.2013. S.52 ↩︎
  11. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder. 1988. S. 75 ↩︎
  12. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder.1988. S. 75 ↩︎
  13. Vgl. Linkshändig?. 2002. R. W. Meyer. S. 73 ↩︎
  14. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 69, 78 ↩︎
  15. Vgl. Linkshändig?. 2002. S. 74 ↩︎
  16. Vgl. Linkshändig?. 2002. S. 71 ↩︎
  17. Vgl. Das kleine Buch für Linkshänder. 1988. S. 73 ↩︎
  18. Vgl. Linkshändig?. 2002. S. 72 ↩︎
  19. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 53 ↩︎
  20. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 89,90 ↩︎
  21. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 96 ↩︎
  22. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 96 ↩︎
  23. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 97 ↩︎
  24. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 105 ↩︎
  25. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 104 ↩︎
  26. Vgl. Der umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 113 ↩︎
  27. Vgl. Der Umgeschulte Linkshänder. 2013. S. 115. ↩︎
  28. Vgl. Linkshändig?. 2002. S. 73. ↩︎