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4.4.2 Die Methoden der Umschulung der Händigkeit – (11/2011)

Die Prozesse, die unter dem Begriff „Umschulung der Händigkeit“ zusammengefasst werden, können sehr verschieden ablaufen. Bis vor etwa 20 Jahren war es nicht untypisch, dass Kinder, die zum linken Handgebrauch neigten, „ausgeprügelt wurden“.

Mit Schlägen auf die Hand, mit Fesseln der Hand am Körper, oft auch mit Festbinden der Hand an einen Stuhl oder Tisch, wurden sie gezwungen, die rechte „richtige“, aber die nicht dominante Hand zum Schreiben zu benutzen.

Es kam sogar vor, dass Ärzte auf Wunsch der Eltern die linke des Kindes Hand eingegipst haben. Genauso erschreckend war die Umschulungsmethode durch Schimpfungen, Bestrafungen und Liebesentzug. Dem Kind wurden Spielsachen und Belohnungen für Erfolge in anderen Bereichen vorenthalten.

Desweitern gibt es die „sanfte“ Umschulungsmethode. Sie zeichnet sich nicht durch körperliche Qual oder Sanktionen aus, sondern durch komplexe Belohnungssysteme oder individuell beeindruckende, oft moralisch gefärbte Überredungskünste. Auch diese Methode der Umschulung ist mehr als fraglich zu bewerten. „Auch ein psychisch sanfter Terror bleibt ein Terror.“¹

Kinder sind schon durch den Entzug von Aufmerksamkeit und Zuwendung sehr leicht manipulierbar. Sie haben ein natürliches Bedürfnis nach Liebe und Beachtung. Manche Eltern versuchen, ihre Kleinen durch phantasievolle Geschenke zum Gebrauch der rechten Hand beim Schreiben zu motivieren.

Ein Beispiel hierfür ist der Halbedelstein. Dieser wird dem Kind beim Schreiben in die linke Hand gelegt. Wenn es nun weiter fleißig übt, mit der rechten Hand zu schreiben, darf es ihn behalten.

Außerdem gibt es die Anpassungsmaßnahme an die rechtshändige Gesellschaft. Diese geht nicht von den Eltern, sondern von den Kindern selbst aus. Vor allem lebhafte und kluge Kinder mit einem starken Willen zeigen häufig ein starkes Nachahmungs- und Modellverhalten.

Sie wollen keine Ausnahme oder eine Besonderheit sein. Sie möchten nicht negativ auffallen. Sie hoffen auf Zuwendung, Akzeptanz und Anerkennung und möchten eine natürliche und unauffällige Eingliederung in den Klassenverband beziehungsweise die Gesellschaft.

Jedoch ist es egal, ob es sich bei der Umschulung des Kindes um eine sanfte oder eine unsanfte Form der Umerziehung handelt. Das Gehirn und dessen Funktionsweise werden in jedem Fall angegriffen.
Man kann mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass es zu negativen Folgeerscheinungen kommt. Wie schwerwiegend und gewichtig diese in Erscheinung treten, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.

Die stärksten Kriterien sind hierbei die Förderung, die Persönlichkeitseigenschaften und die Begabungen des Kindes. Davon hängt ab, ob ein umgeschultes Kind ohne erhebliche Probleme Schule oder die Ausbildung durchläuft oder, was weitaus häufiger auftritt, sich mühsam und kläglich durch seine Schullaufbahn schleppt.

In unserer Umfrage stellten wir Linkshändern die Frage „Wurden sie umgeschult?“. Von 36 Linkshändern antworteten 12 mit „ja“. Das entspricht einem Prozentualen Anteil von 33,3 Prozent. Um die Antworten näher einzugrenzen fragten wir, wann genau sie einer Umpolung ausgesetzt waren.

¹ Sattler, „Der umgeschulte Linkshänder…“, S.302

8 von den 12 umerzogenen Personen wurden im Alter von 6-7 Jahren umgeschult. Viele ergänzten „Ich durfte in der Schule nicht mit rechts schreiben“. Daraus wird deutlich, dass die Umschulung hauptsächlich durch Lehrkräfte nach der Einschulung durchgeführt wurde.

Amerikanische Wissenschaftler benutzen in diesem Zusammenhang den Begriff „brain breaking“², wörtlich übersetzt, „Brechen des Gehirns“. Es symbolisiert die schweren Folgen einer Umschulung, den meist drastischen Ablauf im Gehirn, viel besser als die Deutschen Synonyme „Umschulung“, „Umstellung“, „Umerziehung“ oder „ Umpolung der Händigkeit“.

² vgl. Sattler, „Der umgeschulte Linkshänder…“, S.302