2.1.4 Ursache der Lateralität – (10/2010)
Nachdem man festgestellt hatte, dass es unzählige lateralisierte Lebewesen gibt, stellte sich zwangsläufig die Frage nach dem Warum. Wäre es nicht von Vorteil, wenn beide Beine, Augen, Ohren und nicht zuletzt Hände bzw. Pfoten gleichberechtigt wären? Wieso bevorzugen Organismen eine Körperseite?
Die Neurobiologen gehen davon aus, dass die linke Hemisphäre seit Urzeiten für das Durchführen routinierter Handlungen zuständig ist. Im Gegensatz dazu wird die rechte Hirnhälfte vor allem in unerwarteten Situationen, beispielsweise bei drohender Gefahr, aktiv.
Für diese Vermutung spricht, dass Küken einen Raubvogel schneller bemerken und darauf reagieren, „wenn er im linken Gesichtsfeld auftaucht“ ([13]). Bei der Nahrungssuche, einer Routinetätigkeit, sind Küken dagegen mit dem rechten Gesichtsfeld erfolgreicher. Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser Theorie ist die Tatsache, dass sowohl links- als auch rechtshändige Menschen bei reflexartigen Reaktionen meistens den linken Arm hochreißen.
Weitere Experimente zeigten, dass Küken, deren Gehirne wie oben beschrieben arbeitsteilig wirken, in Testsituationen jenen Artgenossen überlegen waren, bei denen durch Züchtung eine Hemisphärenspezialisation verhindert wurde. Die lateralisierten Küken waren besser in der Lage, gleichzeitig Körner zu picken und auf Bedrohungen durch Fressfeinde Acht zu geben. (vgl. [13])
Aus diesen Ergebnissen ließ sich folgender Schluss ziehen: Ein lateralisierter Organismus ist effektiver und damit überlebensfähiger als ein symmetrischer. Dadurch lässt sich mit Hilfe des Prinzips der natürlichen Zuchtwahl die Existenz solcher Spezialisierungen erklären. Jedoch liefert diese Theorie keine Begründung dafür, weshalb ausgerechnet die linke Hirnhemisphäre und damit die rechte Körperseite beim Großteil der Menschen dominieren. Dass die Verteilung der Seitigkeit so ungleich ist, werde ich im nächsten Kapitel aufzeigen.