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2.3.2.3 Befragung einer Beratungslehrerin – (11/2005)

Um ein weiteres Praxisurteil zum Thema Linkshänder beziehungsweise zur Problematik der Linkshändigkeit auch besonders bei Kindern im Grundschulalter zu bekommen, befragte ich Frau Sibylle Huber, eine Lehrerin an der GS Parkschule Weimar Ehringsdorf, die gerade eine Ausbildung zur Beratungslehrerin absolviert. (siehe Anlage 5) Linkshänder, so meinte sie, gäbe es an der Schule durchgängig in jeder Klassenstufe. Was ihr aber auffiel ist, dass meist mehr Jungen Linkshänder sind als Mädchen (vergleiche Kapitel 2.1.3). Auf meine Frage, ob es denn an der Grundschule allgemeine Tests zur Händigkeitsfeststellung gäbe, antwortete sie, dass jeder Lehrer seine eigenen Methoden hat um auf die Händigkeit seiner Schüler zu achten. Meist suchen sie dann den Beratungslehrer auf, auch um besondere Schreibunterlagen zu bekommen, mit deren Hilfe das Kind eine ordentliche Schreibhaltung erlernt.

Die eigenen Beobachtungen zur Händigkeit der Kinder in ihrer Klasse sind meist schwierig, da in den Klassen bis zu 28 Schüler unterrichtet werden und sie sich daher nicht auf jeden Einzelnen konzentrieren kann. Aber offensichtliche händigkeitsdominierte Handlungen wie Malen oder Schreiben fallen ihr auf. Auch kleine Dinge wie das Unterstreichen mit dem Lineal und die bei Linkshändern damit verbundene Stiftführung von rechts nach links wertet sie als Anzeichen von Linkshändigkeit.

Andere Bezugspersonen haben es häufig leichter als die Lehrer, die Handnutzung zu beobachten. Horterzieherinnen zum Beispiel sehen auch oft, mit welcher Hand ein Kind die Gabel und das Messer hält und können beobachten, mit welcher Hand der Teller zur Geschirrabgabe gebracht wird oder ein schweres Buch getragen wird. Auch das Spielen kann zum Studium der Händigkeit werden.

Auf meine Frage, ob in ihrer Pädagogikausbildung das Thema des Umgangs mit linkshändigen Kindern eine Rolle gespielt hat, antwortete Frau Huber, dass ihre Ausbildung schon 20 Jahren zurückliegt und zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel über die Probleme umgeschulter Linkshänder (vergleiche Kapitel 3.3.1.2) bekannt war. So wird es verständlich, dass erst jetzt allmählich Händigkeitstests in den Schulalltag integriert werden. Dies geschieht durch eine Weiterbildung zu Förderrichtlinien, welche jeder Grundschullehrer, der eine erste Klasse übernimmt, durchlaufen muss. Außerdem gilt dies auch zusätzlich für Beratungslehrer.

In den Förderrichtlinien wird über besondere Probleme informiert, die vorrangig im Grundschulbereich auftreten. Es geht um Krankheiten wie ADS und Hyperaktivität, die heutzutage bei den Kindern leider immer öfter auftreten. Auch der Linkshändigkeit wurde ein Weiterbildungsblock zugewiesen, da es sich heutzutage nicht mehr um ein Tabuthema handelt, sondern Linkshänder auch besonders im Gebrauch der linken Hand gefördert werden müssen.

Hauptsächlich wird auf Schreibhilfen hingewiesen, die das Lernen der Kinder unterstützen und zu einer ordentlichen und entkrampften Schreibhaltung hinführen. Vorgestellt werden hauptsächlich Studien von Frau Dr. J. B. Sattler, die sich auch besonders mit Linkshändigkeit im Grundschul- oder Kleinkindalter befasst hat. Beispielsweise werden von Beratungslehren auch in den Schulen Schreibhilfen an die Lehrer ausgeteilt, die sich mit einem linkshändigen Kind konfrontiert sehen. Diese Unterstützung zum Schreibenlernen mit der linken Hand ist so angelegt, dass sich an der unteren Kante des etwa DIN A3 großen Blattes ein schräger Balken an dem das Schreibheft angelegt werden kann, sodass es leicht nach rechts geneigt ist. Weiterhin ist auf der Unterlage eine rechte Hand abgebildet, damit das Kind weiß wie es das Heft festhalten muss. Die angedeutete linke Hand ist als Orientierung für eine entspannte und sichere Schreibhaltung gedacht.

Wie ein Lehrer die Förderung des linkshändigen Kindes gestaltet, ist ihm selbst überlassen. Ratsam ist es, das Kind auf die linke Seite der Schulbank zu setzen, damit es sich nicht mit dem rechtshändigen Nachbarn in die Quere kommt. Auch der Lichteinfall auf das Schreibheft sollte vorher bedacht werden, lässt sich aber in der Praxis bei Klassen mit durchschnittlich 25 Kindern nur sehr schwer berücksichtigen.

Auch von schwierigen Erfahrungen mit Linkshändigkeit weiß Frau Huber zu berichten. Eltern kommen manchmal zu ihr, weil sie nicht so recht wissen, wie sie mit ihrem Kind und der ungewohnten Situation umgehen sollen. „Ich beruhige sie und erkläre ihnen, was auf sie zukommen wird. Dazu gehört natürlich die völlige Unterstützung ihres Kindes zum Beispiel auch durch die Anschaffung einer Linkshänderschere oder eines besonderen Füllers.“ (ver- gleiche Anlage 5) Manchmal ist es auch so, dass Eltern ziemlich unglücklich über die Linkshändigkeit ihrer Kinder sind, weil sie in ihrer eigenen Schulzeit selbst gewisse Umschulungsmaßnahmen erlebt haben oder auch nicht vertraut sind mit der für sie ungewöhnlichen Situation.

Frau Hubers besonderes Verständnis für Linkshändigkeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten rührt daher, dass sie selbst auch viele händigkeitstypische Sachen mit der linken Hand macht. „Meine eindeutige Schreibhand ist die rechte, aber alle kleinen Dinge, wie malen und unterstreichen mache ich prinzipiell mit links.“ (vergleiche Anlage 5) Die Frage ob sie bereits selbst einen Händigkeitstest machen ließ, verneinte sie und erklärte, dass bisher keine Probleme aufgetreten sind, die auf eine Umschulung von Links- auf Rechtshändigkeit zurückzuführen sind.