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3.3.2.3 Sinn und Unsinn – (11/2005)

Hat man bereits das Kapitel 3.3.1.2 gelesen, so könnte man meinen, es sei selbstverständlich, dass sich früher bereits umgeschulte Linkshänder wieder zurückschulen. Leider muss man sagen, dass eine Rückschulung bei einem Erwachsenen weit über die mechanische Rückschulung hinaus reicht und nicht ohne zusätzliche psychotherapeutische Hilfestellung zu bewerkstelligen ist. Zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Primär- und Sekundärfolgen der früheren Umschulung kommt es bei einer Rückschulung, die im Grunde wie eine Umschulung funktioniert, wieder zu Folgeerscheinungen wie tiefen Ängsten und Frustrationen. Darüber hinaus kann der Betroffene zur Zeit der Rückschulung nur noch eingeschränkter schreiben als ohnehin, auch die Feinmotorik nimmt spürbar ab, da die linke Hand ja im Schreiben gänzlich ungeübt ist.

Aus diesen und anderen nicht minder schweren Gründen wird in der Praxis potenziellen erwachsenen Patienten dazu geraten, auf Rückschulung zu verzichten. Ein Beispiel: Jemand, der ständig unter Stress und mit hohem intellektuellem Aufwand etwas aufschreiben muss, wird wahrscheinlich noch massivere Primärfolgen aufweisen als jemand, der ohne größere Anstrengung seine Notizen zu Papier bringt.

Die Probleme einer Rückschulung, sprich weitere oder stärkere Umschulungsfolgen, hemmen auch den Berufsalltag oder sind zumindest hinderlich. Das soll aber nicht heißen, dass diesen Menschen keine Hilfe zuteil werden kann. Im Gegenteil, die Betroffenen bekommen spezielle auf ihre Handicaps abgestimmte Ratschläge, Tipps und Tricks, die je nach Patient unterschiedlich ausfallen und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität führen können.

Bei Kindern ist es prinzipiell möglich rückzuschulen, aber nur, wenn der Betroffene ausdrücklich diesen Wunsch äußert. Hat sich der kleine Patient wirklich dazu entschlossen, wird er natürlich unter therapeutischer Begleitung langsam und behutsam zur ursprünglich und biologisch dominanten Hand zurückgeführt.

Im Zuge der in den letzten Jahrzehnten aufkommenden Akzeptierung und Tolerierung von Linkshändern und Linkshändigkeit, vor allem in der Schule, und der damit zum Glück aussetzenden Umschulung im Kleinkindalter und der Schule, ist auch die Zahl der Rückschulungspatienten im Kindesalter rückläufig. Im Erwachsenenalter besteht allerdings weiterhin eine konstant niedrige Zahl.³³

³³ Vgl. Sattler, Johanna Barbara: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Donauwörth 2002, S. 143-240